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EOOS in Kramsach

Phänomenologie der Eckbank: Die Designer von EOOS, bekannt für ihre Zusammenarbeit mit Armani, Bulthaup oder Walter Knoll, forschen im Museum Tiroler Bauernhöfe.

Ein einfaches, mehr als zehn Meter langes Brett entlang der Stubenwand auf Sitzhöhe montiert. Warum dieser Möbelprototyp sowohl Probleme des „Universal Designs“ (Design, das generationentauglich ist) hervorragend löst, als auch zu dem Thema „Ökologischer Fußabdruck“ wertvolle Anregungen gibt, das erfährt EOOS im Museum Tiroler Bauernhöfe von dem erfahrenen Führer Michael Duftner.
Wir sind hierher gekommen, um uns Eckbänke anzuschauen.
Eckbänke haben wir nicht.
Aber in den Stuben, da ist doch rundherum eine Bank?
Ich hab mir schon gedacht, das wird schwierig sein, weil Möbel haben wir nicht viel. Aber trotzdem, die Stuben werden interessant sein. Im Winter ist die Stubn der einzige Raum gewesen, wo sich die Menschen wärmen konnten. In den Stuben werden wir sehen, dass rundherum Bänke sind. In so einem Haus sind bis zu zwanzig Personen gewesen. Im Winter, da haben die Leute natürlich einen warmen Platz gebraucht. Wenn man durchs ganze Museum geht, dann werden Sie sehen: Null Mobiliar.
Das ist super. Genau deshalb sind wir da.
Die haben kein Kastl gebraucht, keine Vitrine für Geschenke oder Reiseandenken. Wir werden sehen, nirgends ist ein Kasten drin. Ein Kasten wohl, aber der ist ein eingebauter Kasten. (Er betritt die Stube und bleibt neben dem Ofen gleich rechts neben der Tür stehen.) Meistens werden die Stuben, wir sagen „Stubn“, von der Küche aus beheizt, damit man einen rauchfreien Raum hat. Der Platz hinter dem Ofen hat „Hölle“ geheißen. Da hat sich einer aufhalten können. Gegenüber dem Ofen ist der „Herrgottswinkel“, so sagt man (deutet auf das Kruzifix, das gegenüber in der oberen Raumecke angebracht ist).
Die Bänke sind etwas höher als man heute Möbel macht.
Die Höhe der Bänke entspricht nicht der heutigen Sitzhöhe. Die ist viel höher als heute. So viel zu der Stube. Wollen Sie jetzt weitergehen?
Was war das denn für ein Holzwerkstoff?
Das war Fichte. Nur Fichte. Der Bauer hat den Baustoff genommen, den er am leichtesten erreichen konnte. Und das war in Tirol die Fichte. Die Fichte muss zur richtigen Jahreszeit gearbeitet werden. Da gibt es den Mondkalender mit eigenen Zeiten, wo das Holz nicht schwindet und sich nicht spaltet.
Die Maße von dem Raum, sind die abhängig von der Länge der Bretter?
Ja, das sind Maße, die sind abhängig davon, wie man die Balken fällt. In der Regel sind sie vier Meter, mit einem Zumaß, wenn man sie schneidet.
Ich sehe da eine Schublade unter der Bank!
Das ist eine Schublade, ja. Da haben sie auch ihre Habseligkeiten gehabt und drinnen aufbewahrt.
Im Tisch ist auch eine Schublade!
Ja, das ist die Tischschublade. Zum Essen ist der Tisch mit einem Leinentischtuch bedeckt gewesen. Wenn man gegessen hat, dann hat man den Löffel einfach in das Tischtuch gewischt und dann unten wieder in die Lade gegeben.
Gibt es eine traditionelle Sitzordnung auf der Bank um den Tisch?
Na, eigentlich nicht. Die einzige Tischordnung ist: wenn der Hausherr genug gehabt und den Löffel weggelegt hat, dann hat auch das Gesinde zum Essen aufhören müssen. Und das, obwohl die Knechte auch nicht so reichlich zum Futtern bekommen haben und so mancher sicher noch Hunger gehabt hat.
Der Tisch ist doch eigentlich mobil. Kann der nicht auch woanders im Raum stehen?
Der kann irgendwo anders stehen. Das Licht ist entscheidend, je nachdem, wo das Licht herkommt. Oder, wenn man gesagt hat, „heute möchte ich’s warm haben“, dann hat man den Tisch zum Ofen gerückt, das war möglich.
Gegenstände, die wir entwerfen, werden meistens nach 5, 10 Jahren weggeschmissen. Wie ist es möglich, einen Gegenstand zu haben, den man hunderte Jahre aufhebt und hin und wieder repariert?
Das ist die Tradition. Ich bin auch noch in der Generation, wo man nichts wegschmeißen will. Ich hebe die Sachen auch auf. Wenn zum Beispiel der Stuhl kaputt ist, und der Hof ist im hintersten Gebirge drinnen, dann müsste man zum Tischlermeister gehen, um den Stuhl zu reparieren. Der Bauer hat vieles, vieles selbst gemacht. Und hat das natürlich nicht weggeschmissen.
Warum halten die Dinge so lange?
Das ist was ganz Primitives. Schauen Sie einmal her. Die Füße sind durchgesteckt, und dann ist ein Keil hineingeschlagen, damit es hält. Durch die zwei übereinanderliegenden Bretter ist mehr Stabilität da, als wenn man nur eines verwenden würde. Damit ist es eigentlich unverwüstlich. Gehen wir weiter …
Diese Bank hier ist breiter, weil man sich hingelegt hat?
Jo, da hat man sich hinglegt.
Und was ist das?
Das ist das „Kopfbankl“. (Herr Michael Duftner legt sich auf die Bank neben dem Ofen und senkt mit angestrengter Geste seinen Kopf direkt auf die Bank). Wenn man kein Kopfbankl hat, muss man sich strecken, und das ist für einen Menschen, der meinetwegen achtzig Jahre alt ist und sein ganzes Leben schwer gearbeitet und Kreuzweh hat, nicht angenehm. So kann er seinen Kopf drauflegen. (lacht). Das findet man fast in jeder Stubn. „Kopfbankl“ heißt das.
Was ist denn das? Ein Hocker?
Das ist ein Kindersitz zum Tisch (er dreht das Objekt um, so dass man es erkennt). Auf die Bank hat man das draufgelegt, und das Kind hat dann essen können. Und dieser Fortsatz ist dazu da, dass es nicht kippen kann, wenn es auf der Bank ist. Nach vorne kann’s nicht, da steht es am Tisch an. Ganz eine interessante Sache. Das hat man heute verfeinert im Auto hinten drinnen, net? (lacht).
Der Wandschrank ist der einzige Aufbewahrungsort?
Ja, das ist das einzige Kastl, was wir da haben. Sonst ist nix da.
Und was hat man da drinnen aufgehoben?
Schnaps. (Alle lachen.) Ich weiß jetzt nicht, was sie gehabt haben, aber Schnaps haben sie einmal sicher drinnen gehabt. Und vielleicht ein Medikament, eine Arznei, Schmier, was sie gebraucht haben. Und „Des Teufels Gebetbuch“. Kennen S’ das? Kennen S’ nicht. Das ist die Spielkarte. Des Teufels Gebetbuch ist die Spielkarte. Auch wieder was Neues gelernt. (lacht). Denn durch die Spielkarte ist so manches verloren worden, ganze Höfe. Ich kenn da eine Gschicht. Da hat ein Bauer, der viel verloren hat, die Tür zur Stube abgemessen. Fragt der eine: „Was tuast denn do?“ – „Ich möcht jetzt grod wissn, wie mei Hof da durch die Tür durchgangen ist!“ (Alle lachen.) Weil er ihn verspielt hat, net?
Die Bank hier, die besteht aus zwei massiven Brettern. Wie halten die zusammen?
Die sind zusammengeleimt.
Und das haltet ein paar hundert Jahre?
Die sind stumpf zusammengeleimt. Mit Knochenleim, den man früher gehabt hat. Man sieht ja, dass die Bank ganz alt ist. Da, wo das Holz weich ist, sieht man schon die langen Gebrauchsspuren.
Ob da jetzt ein Sessel oder eine Bank beim Tisch steht, hat das eine Bedeutung?
Da steht eine Bank. Und sie werden sich beim Essen nie zurücklehnen. Beim Essen sitzt man immer so da (beugt sich über den Tisch). Und, wenn ich Karten spiel, dann sitz ich auch so da. Und so lange ist man beim Essen früher nicht gesessen. Da ist man dann gleich wieder beim Arbeiten gewesen.
Eigentlich ist das Haus ein Werkzeug. Ein Haus heute – da hat man ja ganz andere Vorstellungen und Bedürfnisse. Aber das hier ist wie ein Werkzeug.
Früher, die „Urzelle“ war eine Grube mit schräg aufgeschichteten Stämmen als Dach.
Wir haben eine Zeichnung davon gesehen, da konnte man auf einem Erdwall rundherum um das zentrale Feuer sitzen, eine Art „Urbank“ aus Erde.
Seids jetzt enttäuscht, dass ihr keine Eckbänke gesehen habts?
Aber wir haben doch nur Eckbänke gesehen? (lachen)
Für mich war a Eckbank sowas, was man hinstellen kann, so wie man es in jedem Möbelgeschäft zum Kaufen kriegt.

 

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