zurück zur Startseite

Satzspiegel *

Über Peter Zoller, Professor am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Universität Innsbruck.
Von Christian Flatz

Welches Potential in neuen Quantentechnologien steckt, zeigt ein einfaches Beispiel: Wenn wir 300 Elektronen als Speicherzellen eines Computers verwenden, dann kann ein solcher Speicher eine von 2 hoch 300 möglichen Zahlen darstellen. Die Quantenmechanik erlaubt jedoch Zustände, wo unser Speicher gleichzeitig in all diesen Konfigurationen sein kann. Um einen solchen Quantenzustand in einem klassischen Computer darzustellen, müsste man einen Computer bauen, der 2 hoch 300 Speicherzellen hätte, was der Zahl der Atome im sichtbaren Universum entspricht. Zwischen 1925 und 1935 entwickelten Physiker wie Erwin Schrödinger, Werner Heisenberg, Max Born und Paul Dirac eine neue Theorie, die die physikalischen Vorgänge in und zwischen atomaren Teilchen beschreibt: die Quantenmechanik. Auch wenn die „Weltformel“ –
die Quantentheorie und Gravitationstheorie miteinander vereinen und alle bekannten physikalischen 
Phänomene gemeinsam erklären soll – noch nicht gefunden ist, so zählt die Quantenmechanik heute neben der klassischen Physik und der Relativitätstheorie zu den Grundpfeilern der modernen Physik. Die Theorie der Quantenmechanik förderte einige befremdlich wirkende Eigenschaften dieser Welt der kleinsten Teilchen zutage. So geht im atomaren und subatomaren Bereich die Eindeutigkeit verloren, das physikalische Verhalten der Materie muss in Wahrscheinlichkeiten beschrieben werden. Teilchen können die Eigenschaften von Wellen annehmen und deren Zustände können sich überlagern – man erinnere sich an Schrödingers berühmtes Gedankenexperiment mit der Katze. Messungen beeinflussen das Messergebnis und Teilchen können verschränkt sein. Der skeptische Albert Einstein nannte die Möglichkeit der Verschränkung noch „spukhafte Fernwirkung“. Zwischenzeitlich ist dieses Phänomen im Labor längst nachgewiesen worden. Lässt man zwei Quantensysteme wechselwirken, entsteht eine Verbindung. Diese bleibt erhalten, egal wie weit die beiden Objekte voneinander entfernt werden. Änderungen am einen Teilchen verändern auch das andere Teilchen. Messungen auf der einen Seite liefern auch das Ergebnis für die andere Seite. Verschränkung hat eine fundamentale Bedeutung bei allen Versuchen, die Eigenschaften der Quantenwelt für unseren Alltag technologisch nutzbar zu machen. So beruht auch das von Peter Zoller gemeinsam mit Ignacio Cirac entwickelte Konzept für einen Quantencomputer auf dieser Eigenschaft von Quantenobjekten. Sie haben 1995 vorgeschlagen, elektrisch geladene Atome in einer elektromagnetischen Falle einzufangen und ihre Schwingungen mit Hilfe von Lasern zu verschränken. Mit den so präparierten Teilchen lassen sich Rechenoperationen durchführen, die die quantenmechanische Überlagerung ausnutzen und damit für ausgewählte Aufgaben die Leistungen aller bisher gebauten Computer um vieles übertreffen. Ein Großteil der Software für den Quantencomputer muss erst noch geschrieben werden, die ersten Bausteine der Hardware werden aber im Labor bereits erfolgreich erprobt. So hat Zollers Innsbrucker Kollege Rainer Blatt dieses Konzept in den vergangenen Jahren im Experiment umgesetzt und dabei bis zu 16 Teilchen miteinander verschränkt –
das ist Weltrekord. Ähnliche Versuche laufen auf der ganzen Welt. Das Ziel ist es, immer noch mehr Teilchen zu verschränken und so einen wirklich rechenfähigen Quantencomputer zu bauen. Die Zusammenarbeit mit Experimentalphysikern ist zentral für Zollers Arbeit. Die Theoretiker überlegen sich oft schon Jahre im vor-
aus, was im Labor gewinnbringend umgesetzt werden könnte. Hier braucht es viel Fingerspitzengefühl, um die richtigen Fragen zu stellen. Der Dialog mit den Physikern im Labor gibt ihnen dabei wichtige Hinweise. Andererseits versuchen sie gemeinsam mit ihnen, bei aktuellen Experimenten neu auftauchende Fragen zu lösen. Es ist aufregend, diese Dinge im Labor entstehen zu sehen. Noch spannender für Peter Zoller ist es aber, immer neue Grenzen unseres Wissens zu erkunden. Viel Neues entsteht dabei durch die Verknüpfung bereits vorhandenen Wissens. So hat Zoller gemeinsam mit Kollegen aus aller Welt versucht, die Konzepte der Quantenphysik für die Festkörperphysik fruchtbar zu machen. Etwa mit dem Vorschlag, einen Quantensimulator mit kalten Atomen zu bauen und damit die bis heute ungeklärten Phänomene in Hochtemperatursupraleitern zu erforschen. Mit seinen Ideen steht Zoller im internationalen Wettbewerb. Nur die besten Konzepte setzen sich durch und haben Chancen, im Labor verwirklicht zu werden. Insofern funktioniert die Wissenschaft sehr darwinistisch. Das müssen viele hierzulande noch lernen.

— * Nutzfläche auf der Seite eines Buches, einer Zeitschrift oder anderen Druckwerken; ein bedruckten Flächen zugrundeliegendes schematisches Ordnungssystem, das den Grundriss von Schrift, Bild und Fläche definiert.
— Aufforderung, Sätze zu formulieren, die für die eigene Arbeit stehen und deren Grundgerüst bilden; das eigene Schaffen zu spiegeln
und dabei die tagtäglich gebrauchten professionellen Ausdrucksmittel möglichst außer Acht zu lassen.

 

im Heft weiterblättern


Email

registrieren

Ihre Email-Adresse wurde bei uns registriert und zur Liste der Newsletter-Abonnenten hinzugefügt.
Sie erhalten in Kürze ein Bestätigung per Email.