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Berichterstattung einer Bestattung

Notiert an einem Novembersonntag, drei Jahre nach den Ereignissen. Von Benedikt Sauer

Der jüngste Sohn von Josef L., vulgo A., Leichenführer

also eben der sarg das stimmt nicht was da steht dass der in drei teile gebrochen ist/ das war so: wir sind oben vom weiler Gschwendt vom hof sind wir mit pferd und leiche weggegangen/ das ist so zirka einen kilometer von uns entfernt/ wir sind so fünfhundert meter herunter gegangen da sieht man dann zum erstenmal unser haus und wir haben beim stall das fenster offen gehabt und das pferd war aufs fohlen ganz narrisch das hat gar nicht weggehen wollen/ es hat sonst eigentlich nie etwas gehabt wir sind damit immer nach Sillian gefahren die schwester abholen vom kindergarten da hats nie etwas gehabt aber da war das fohlen immer mit dabei.
dann da oben in der kurve hat das fohlen gewiehert das pferd hat das fohlen gehört dann ist das pferd unruhig geworden wie es wohl natürlich ist der instinkt vom pferd zum fohlen zu kommen weils meint das fohlen ist in gefahr/ dann hat man ein paar huftritte am asphalt gehört und dann ist es los links hinunter ins feld und wir haben probiert zuzubremsen aber da war nichts zu machen/ das pferd ist also vor uns runter der vater hat probiert das pferd zu halten der ist vorn gegangen hat es am kopf geführt ich war beim wagen hinten dann ist es übers feld hinunter da waren zwei zäune dann ists eng geworden/ der papa hat erzählt das pferd hat den kopf hochgerissen er hat sich fest gehalten so fest dass es ihn auf die andere seite geschmissen hat da war dann eine mulde und da ist der wagen mit dem sarg drüberhinaus.
er hat sich am fuß wehgetan den hat er sich gebrochen aber wie das genau gegangen ist weiß er nicht mehr.
dann gings so weiter: da hört der zaun rechts auf das pferd hat eine rechtskurve gemacht ist über eine wurzel drüber der wagen auf die wurzel der sarg ist in die höhe und an den baum und hat dann eine einkerbung gehabt und ein stück deckel ist weg also nicht der ganze deckel sondern der kleine deckel der oben drauf ist mit dem kreuz der ist runter aber von der leiche selbst hat man nichts gesehen/ dann haben sie drei zaunstecken genommen vom elektrozaun haben die unter den sarg getan sind hinunter und unten bis zum bahndamm beim bahnhof zirka da ist der j. gekommen von der bestattung mit einem neuen sarg und dann sind sie mit dem handwagele weitergefahren. also keine rede dass der in drei teile gebrochen ist die haben oben den kleinen deckel drauf getan und sind weitergegangen/ was die geschrieben haben von der leiche hat man nichts gesehen.
da hinterm haus ists passiert da geht der weg vorbei am haus/ ich bin dann zum ross gegangen um es abzuspannen und in den stall zu sperren das ganze ross hat gezittert ein schock kann man sagen/ der papa ist vierzehn tage im krankenhaus gewesen da war die gefahr von trombose/ er ist oben hinter dem begräbniszug ganz normal herunter gegangen und dann herunten da hat der schock nachgelassen hat er gesagt mein fuß fängt an weh tun ich weiß nicht was da ist dann ist er ins haus und jemand von der bergrettung hat gemeint der ist vermutlich gebrochen dann ist der notarzt gekommen.

während er im krankenhaus war haben die mutter und ich auf das ross geschaut später hat ers dann verkauft und seither haben wir kein vieh mehr/ er fährt zwar immer wieder rösser schauen aber kauft keines mehr/ wir haben vier rösser gehabt zwei norica-stuten haben wir gekauft die haben beide ein fohlen bekommen eine stute mit fohlen haben wir bei einer versteigerung verkauft und eben die zwei die mina und die riki dann zu einem pferdehändler in Strassen/ der vater hat sich nicht mehr so recht getraut das pferd einzuspannen/ wir sind früher zwar auch schon begräbnis gefahren auch von Heinfels vom berg herunter da hats nichts gehabt nur einmal bei einem faschingswagen da haben wir schilf aufgestellt gehabt da ist der wind hinein da werden die pferde ganz narrisch da ist es wums weg aber da ist nichts passiert.
im winter manchmal wenn leute gekommen sind sind wir mit der kutsche schlittengefahren.
ja das war auch noch: der dem wirs pferd verkauft haben hat dann einen faschingswagen gemacht da ist drauf gestanden romantische kutschenfahrten mit josef a. und die telefonnummer dabei da haben wir uns schon gedacht wieso eigentlich aber das war halt so/ mit einer fackenwanne die er verkehrt drauf gelegt hat da haben wir uns auch gedacht was soll das aber du kannst halt auch nichts tun.

die verwandten die hinter uns waren sind auch erschrocken. der sohn des verstorbenen ist hinter mir gegangen und die frau hat zu ihm gerufen hilf peter hilf dem seppl aber da ist das pferd schon gelaufen er hat noch geschrien seppl lass aus aber die haben selber gesagt das kann passieren.

ich war einmal im krankenhaus wegen einer operation mit einem anderen im zimmer der hat gefragt woher ich komm und hat die familie gekannt und gewusst dass da ein unfall war mit einem ross und der wollts mir erzählen dann hab ich ihm schon gesagt dass das unser ross war.

Gottfried W., Fuhrwerksbetreiber

nur schade dass ich die zeitungsartikel nicht aufbehalten habe alles hat geredet/ erfahren hab ichs vom nachbarn der ist begräbnis gegangen: weißt du wies dem seppl ergangen ist/ so heißt der leichenführer/ das ross ist ihm durch und der sarg ist runtergefallen und vom sarg ist der deckel runter und so gings dahin/ er hat oben die leiche aufgelegt und ist runter bis kurz vor sein haus das ross hat das fohlen schreien hören und das ross ist immer schneller geworden und der mensch hat das ross nicht mehr halten können und das ross hat begonnen zu laufen mit der leiche drauf und das ross ist glaub ich bei seinem haus vorbei und unten bei der kurve ist alles runter gefallen neben die bäume den sarg hats runter und den deckel runter und dann können sie sich eh denken was passiert ist. dann haben sie den leichenbestatter wieder holen müssen und sofort die leiche in einen eigenen sarg legen und dann weiter.

das ross das hab ich gekauft. du der gibt sein ross her ruft mich ein bekannter an/ ein rosshändler hat ihm vierzehn schilling geboten und er will einen schilling mehr haben/ hab ich mir gedacht das passt ganz gut hab ich den bauern angerufen/ hab gehört du gibst das ross her/ ja gibt er her/ kommst du/ ja/ hat er gesagt fünfzehn schilling will er schon haben/ hab ich gesagt gekauft gehört mir wir haben handschlag gemacht und ich hab gesagt ich hols/ hab gewogen das fohlen auch und bar gezahlt.
nach drei tagen kommt er und sagt ich bereus ich geb dir dreihundert schilling reuegeld/ also dreihundert mehr/ hab ich gesagt ich gebs nicht mehr her/ ich hab bei dem ross zwanzigtausend verdient nicht dreihundert/ habs nach deutschland verkauft in Rotholz bei der rossversteigerung/ die bauern haben alle gefragt warum gibst du das gute ross her/ ich hab gesagt weißt du was mit dem ross passiert ist das ross ist beim leichenführen durchgegangen dem fehlt nichts aber das ist halt passiert/ ich hab in die papiere geschrieben ohne garantie/ ein deutscher ist her und hat gefragt was das ross kann und hats gekauft und nach drei vier monaten ruft er an und sagt so ein braves pferd/ ich hätte das ross ja nicht behalten können wenn ich mit dem ross gefahren wäre hätts geheißen der fährt mit dem verrückten ross.

ja ich habs beim faschingsumzug nachgemacht da haben sich viele aufgeregt und viele haben gelacht/ dem vom tourismus hab ich gesagt dass ich mit tun will hab aber nicht gesagt was ich mach/ ich hab einen wagen zusammengestellt mit einer fackenwanne wo man facken enthaart wie die bauern früher wenn man absticht ein viereckiger trog den hab ich umgekehrt auf den wagen gelegt das schaut aus wie ein sarg hab ein büschl blumen drauf getan und ein großes plakat romantische kutschenfahrten mit seppl a./ die frechheit hab ich gehabt.

mir wärs auch zu blöd wenn mir das passiert wäre deshalb verschrei ich nichts hoffentlich passiert mir das nie/ ich fahr viel mit den gästen schlitten wenn mir das passiert ... der wollt auch geschäft machen mit schlittenfahren ist ihm halt nicht gelungen/ beim leichenführen hat er das fohlen daheim gelassen das ross wollt heim springen das leuchtet mir schon ein/ scheiße für ihn/ in Strassen bei uns ist einer der fährt nur leiche nicht mit gästen sonst fährt keiner mit den rössern er fährt leiche und ich mit den gästen bei uns wird noch viel mit rössern leiche gefahren der aus Strassen fährt auch in Heinfels Sillian/ ich mag das nicht leichenführen ist mir nicht gegeben ich mag hochzeiten wos lustig hergeht da fahr ich/ das andere ist ernsthaft dafür bin ich nicht der mensch da verzicht ich auf jeden schilling lieber hochzeit ist auch ein gutes geschäft.

Pfarrer O.

mit dem havarierten sarg sind die herunter aber um 14 uhr pünktlich hat das begräbnis begonnen. von Gschwendt sind sie gekommen dann bei der kurve ists passiert/ das füllen war im stall das muttertier hats gehört wie sie so drei vierhundert meter weg waren dann sind sie bis zur großen kurve so drei vierhundert meter gegangen gewesen vom haus weg dann hat das ross das füllen gehört der besitzer vom ross ist eher schmächtig und das ross ist ihm durch und dann war da ein zaun da musste das ross ausweichen und der sarg ist umgekippt/ seine söhne haben dann den sarg auf große äste gebettet drei äste und dann drei links und drei rechts haben sie ihn getragen bis zum bahndamm da war der bestatter schon mit einem neuen sarg und genau um zwei uhr waren sie da bei der kirche/ die haben kaum zeit verloren so eine viertelstunde werden sie ihn getragen haben. ich habs von dritten erfahren ich hab kein handy aber das begräbnis hat ohne verspätung begonnen/ ich war ja nur in vertretung ich war zuvor 40 jahre in Uganda als josef-missionar und bin gerade zurück gekommen zum dableiben/ ich bin ja auf der gegenüberliegenden seite von Gschwendt aufgewachsen in Sillian Berg da oben Gschwendt ist da drüben das ist der hof wo das ross her ist/ reden muss man mit dem leichenbestatter der hat sicher alles aufgeschrieben weil der ja die rechnung stellen hat müssen.

Werner J., Leichenbestatter

ich bin angerufen worden nach Heinfels zum weiler Gschwendt gerufen worden und das hat mich verwirrt weil ich ja gewusst habe dass sich gerade mein bruder dort bei einer beerdigung befindet der macht mit mir die leichenbestattung/ wir machen die verabschiedung die organisation des zuges vom haus weg organisieren also wer den kranz trägt wer das kreuz trägt wann der sarg aus dem haus geht und wenn das erledigt ist räumen wir alles auf/ deshalb war mein bruder dort er war dabei die hausaufbahrung wegzuräumen nachdem die trauergesellschaft das haus verlassen hatte.

ich bin angerufen worden und ich hab mir gedacht mein bruder ist ja schon in Gschwendt was soll ich jetzt dort mit einem sarg tun ich hab mich nicht ausgekannt/ mein bruder ist bei einer beerdigung und ich werde auch in diese gegend gerufen mit einem sarg. ich bin los mit dem sarg und sehe dann weiter oben auf dem normalen gemeindeweg die trauergesellschaft herunter kommen mit dem sarg/ ich hab mir gedacht da komm ich nicht weiter weil die ja die straße blockieren und bin wieder zurück gefahren/ dann hab ich zuhause nochmals telefoniert weil ich mich nicht ausgekannt hab/ ich hab nicht gewusst wer mich angerufen hat aber ich hatte mir die nummer notiert und dann hat es nochmals geheißen ja nach Gschwendt mit einem sarg/ dann bin ich wieder los und dann als ich den trauerzug sah bin ich beim gemeindeweg stehen geblieben um zuerst einmal die trauergesellschaft vorbeiziehen zu lassen.
komm zu uns wir brauchen einen sarg das war die meldung/ die haben ja wirklich einen sarg gebraucht/ in diesem augenblick fragt man nicht „warum?“/ denn wenn ich den auftrag bekomme einen sarg zu liefern bedeutet das dass jemand verstorben ist sonst brauch ich keinen sarg/ da der aber schon verstorben war und schon in einem sarg hab ich nicht darauf schließen können dass er noch einen braucht/ ich hab mir gedacht da ist noch was passiert es war auch so hektisch und hab mich gleichzeitig nicht ausgekannt/ im gleichen weiler wos nur drei häuser gibt? abgesehen davon war ja mein bruder auch oben also ich war planlos es war nicht nachvollziehbar.
dann ist die trauergemeinde näher gekommen da hab ich erst gesehen was eigentlich los ist.
es war auf jeden fall notwendig die leiche umzubetten aus pietätsgründen und gesundheitspolizeilich/ wir sind verpflichtet das ordentlich zu machen/ in jedem land gibts verschiedene vorschriften über die sargstärke und so.
der sarg war auf jeden fall zerstört der war nur mehr zusammengebunden mit einer schnur der deckel war eingebrochen und mit einem offenen sarg kann man keine verabschiedung machen nicht in die kirche gehen das ist die pietät ich kann nicht mit einer zusammengenagelten kiste … das kann man niemandem zumuten.

 

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