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Stille, Fluch und Segen

In den Alpen sterben nach und nach ganze Dörfer, fallen wieder der Natur anheim oder werden zum Freilichtmuseum. Zum Beispiel die Gemeinde Bschlabs in einem Seitental des Außerferner Lechtales. Eine Ortsbegehung von Raffael Fritz

Durch ihr Gebimmel kündigt sie sich von Weitem an: Eine Kuh, die einsam die Straße entlangspaziert. Sie schaut nach hinten, dann trottet sie wie auf Befehl an den Straßenrand, um mich ungehindert mit dem Auto passieren zu lassen. Unbegreiflich, warum der Volksmund diesen Geschöpfen Dummheit unterstellt. Wenn es den Massentourismus nie gegeben hätte, würden alle Tiroler Bergtäler heute so aussehen? Diese Frage stelle ich mir, als ich an der Kuh vorbeifahre, von Imst kommend übers Hahntennjoch, hinein ins Bschlaber Tal. Ein ganzes Tal ohne Skilifte an den Bergflanken, ohne überall herumstehende Schneekanonen, ohne Parkplätze voller Reisebusse an den Talstationen. Und, wie es heißt, ohne Zukunft.

Es ist ein Herbsttag wie auf einer Postkarte, die Sonne strahlt von einem grellblauen Himmel mit feinen Wolkenziselierungen und wirft imposante Schatten auf die schroffen Felsen der Lechtaler Alpen. Die Kuh auf der Straße macht das Postkartenmotiv perfekt. Sonst bevölkern noch Rennböcke und so manches Schlachtross das Joch: Auch für Motorradfahrer ist das Wetter ideal, auf der einen Seite der Straße geht es steil hinauf, auf der anderen noch steiler hinunter, dazwischen schlängeln sie sich durch die Serpentinen und lassen bei ihren Überholmanövern die Motoren röhren.

Es geht über den höchsten Punkt des Jochs, auf 1.894 Metern, wie ein Schild informiert. Hier halten viele der Motorradfahrer bei einem Kiosk, wo man Postkarten, Eis am Stiel und anderen Krimskrams erstehen kann. Dann geht die Straße wieder bergab; das Bschlaber Tal beginnt. Wie Perlen an einer Schnur sind die verschiedenen Weiler und Parzellen der Straße entlang aufgereiht. Alle bestehen nur aus ein paar Häusern. Erst kommt Pfafflar, die höchstgelegene Siedlung im Tal, die nur noch im Sommer von Feriengästen bewohnt ist und dennoch der ganzen Gemeinde ihren Namen gibt. Danach geht es vorbei an dem Örtchen Boden. Und schließlich führt die Straße nach Bschlabs. 185 Einwohner hatte das ganze Tal im Jahr 1961, 125 sind es heute, und im Jahr 2030 werden es noch 83 sein. So hat es jedenfalls Bernd Huber, der Bürgermeister, ausgerechnet. Ob wir uns im Gasthaus in Bschlabs treffen könnten, hat er gefragt. Dass sich die Gegenfrage, welches Gasthaus er meint, erübrigt, das weiß ich schon, als ich sie stelle. Denn es gibt natürlich nur eines. Die Kirche, das Gemeindeamt, etwa zwei Dutzend in der Gegend verstreute Bauernhäuser und der Gasthof Zur Gemütlichkeit. Das ist Bschlabs.

Für die Größe des Dorfes wirkt „die Gemütlichkeit“ überdimensioniert. Ein wuchtiges Alpenhaus, dessen Balkon vor blühenden Begonien überquillt, mit einer großen Sonnenterrasse vor der Tür und drinnen noch einmal über zwanzig holzgetäfelten Tischen. Heute Abend sind alle leer. Bernd Huber sitzt an der Bar und trinkt Tee. Man ist versucht, sich den Bürgermeister eines Alpendorfes gesetzten Alters vorzustellen, im Trachtenjanker mit Hornknöpfen. Doch Huber trägt Turnschuhe, Jeans und einen Longsleeve; das braune, halblange Haar fällt ihm ungekämmt in die Stirn. Vor neun Jahren, als er zum ersten Mal gewählt wurde, war er dreiundzwanzig Jahre alt. Der jüngste Bürgermeister Österreichs, ausgerechnet in einem Dorf, das mit Überalterung zu kämpfen hat. Jetzt ist er Anfang dreißig und sagt, damals sei ihm das ganze Problem noch nicht so bewusst gewesen.

Was denn das ganze Problem sei, frage ich, als wir uns an einen der Holztische setzen. Ganz einfach: Ausbildung und Arbeit würden die Jungen in die Ballungszentren locken, und die meisten kämen nicht mehr zurück. In Bschlabs gebe es ja weder Mietwohnungen noch Arbeit. Und das Auspendeln sparen sich viele, indem sie gleich hinunterziehen. Besonders, weil die Straße übers Hahntennjoch, ins Inntal, in den Wintermonaten gesperrt ist. Und wenn es Lawinen gibt, ist manchmal auch die Straße in Richtung Reutte gesperrt, und die Bewohner sind für ein oder zwei Tage im Tal eingeschlossen. Schon jetzt stehen viele der teils hunderte Jahre alten Bauernhäuser leer, andere werden ganzjährig als Ferienhäuser an deutsche Urlauber vermietet. Ein Teufelskreis sei das: Weniger Einwohner ergibt weniger Steuereinnahmen, das bedeutet weniger Investitionen in die Infrastruktur, was wiederum weniger Touristen und dadurch noch weniger Einnahmen bedeutet. Es isch oafach so, sagt er immer wieder.

Dabei hat Bschlabs heute mehr Aufmerksamkeit denn je zuvor, denn so ein sterbendes Alpendorf macht was her. Huber hat schon Erfahrung darin, mit Journalisten zu reden – von Zeitungen und Magazinen und Radiosendern kommen die Reporter ins Bschlaber Tal, solange es noch Leute zum Interviewen gibt. Ob die unverhoffte Werbung etwas gebracht habe, frage ich, denn schließlich sehnen sich viele Urlauber nach der Ruhe und der intakten Landschaft, nach dem so genannten sanften Tourismus, anstatt einander in den Touristenhochburgen auf die Füße zu steigen. Und was könnte sanfter sein als ein immer dünner bevölkertes Bergtal ohne riesige Skigebiete oder Kraftwerke? Das sei so eine Sache mit dem sanften Tourismus, entgegnet Huber, denn der würde nie reichen, damit die Gemeinde finanziell selbständig wird. Da würde ein Wasserkraftwerk eher was bringen, meint er. Überall baue man Kraftwerke, im Stanzer Tal, im Kaunertal, im Zillertal, im Ötztal. Nur im Bschlaber Tal nicht, damit noch ein bisschen Natur zum Herzeigen bleibt.

Sogar für das Vereinsleben sind langsam zu wenig Leute da. Die Schützengilde gibt es nicht mehr, genauso wenig wie den Kirchenchor. Die Musikkapelle hat sich auch vor über zehn Jahren aufgelöst. Nur die freiwillige Feuerwehr hat genug Mitglieder und ist voll ausgerüstet. Denn sie habe als Vorteil – auch wenn es makaber sei – die unfallträchtige Straße übers Hahntennjoch, wo man im Sommer fast jedes Wochenende ausrücken müsse. Fluch und Segen gleichzeitig sei das mit den Motorradfahrern.

Aus Patriotismus habe er sich entschieden, hier zu bleiben, meint Huber. Aus dem Glauben, etwas erreichen zu können, und weil’s schian isch do. Aber mittlerweile sei das kein Muss mehr, fügt er an und schüttelt den Kopf. Allerorten fehle es an Geld. Angestellte oder externe Experten könne er sich nicht leisten, und als Bürgermeister sei er mit den Grundaufgaben schon voll ausgelastet. Und wenn sich nichts ändere, werde Bschlabs in dreißig Jahren ein reines Pensionistendorf sein, wo die Jüngsten um die sechzig sind. Dann wird auch Huber um die sechzig sein.

Dabei hätte er schon Pläne, das Dorf zu beleben. Mit einem Glasfaserkabel. Er hat die Gemeinde schon mit Funk-Internet ausgestattet. Doch nur wenn die Verbindung schnell genug sei, mit so einem Glasfaserkabel, dann könnte eine Softwarefirma heraufziehen, oder ein Radiologe, der seine Röntgenbilder in der Natur anschauen und die Befunde wieder ins Tal schicken könne.

Der Bürgermeister schaut in Richtung Eingang. Die Tür ist gerade aufgegangen und ein schnurrbärtiger Mann mittleren Alters kommt herein. Huber stellt ihn mir vor: Klaus Perl, der Dorfchronist. Er setzt sich zu uns und bestellt ein Bier. Aus dem Gespräch wird schnell eine Diskussionsrunde.

Das Dorf sei einfach zu wenig bekannt, sagt der Chronist. Wenn man die Leute in Imst frage, wo Bschlabs liegt, dann wüssten das die meisten nicht, und Imst sei schließlich die Nachbargemeinde. Doch das allergrößte Problem, sagt er, das seien die Motorradfahrer mit ihrem Lärm. Die würden die ganzen Wanderer vertreiben. Aber sie seien nun einmal die einzigen, entgegnet der Bürgermeister, die Geld für den Tourismus ins Tal bringen. Und überhaupt: Wenn man nicht direkt an der Straße wohne, höre man sie kaum. Er wohne nun einmal an der Straße, sagt wiederum der Chronist, und das sei so laut, als würden sie bei ihm in der Stube herumfahren. So richtig viel Verkehr gebe es ohnehin nur an ein paar Wochenenden im Sommer, hat der Bürgermeister als Antwort parat. So diskutieren sie ein Weilchen hin und her, bis der Chronist sein Bier ausgetrunken hat und sich nach Hause verabschiedet.

Es sei halt schwierig mit diesen Stammtischgesprächen, sagt der Bürgermeister. Dass man eher über die Motorradfahrer jammert, anstatt etwas anzupacken, das sei eben die Mentalität der Menschen hier. Do ischt jed’s Tal anderschter. Und wenn die Motorradfahrer nicht mehr kommen, wer kommt dann noch? Dann gehe alles den Bach hinunter. Fluch und Segen, sagt er noch einmal und wischt eine Fliege weg, die sich auf seine Augenbraue gesetzt hat.

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Den Bach hinunter gehe ich auch am nächsten Morgen, auf dem „Weg der Sinne“. Gleich neben dem Gemeindeamt geht er das enge Kerbtal hinab bis zum Streimbach. Der Name soll wohl ein Versuch sein, den sanften Tourismus zu beschwören, zusammen mit holzgeschnitzten Kunstwerken am Wegesrand und Tafeln mit Gedichten: Wer recht in Freuden wandern will, der geh’ der Sonn’ entgegen. Da ist der Wald so kirchenstill, kein Lüftchen mag sich regen. Sonst ist der Weg der Sinne ein gewöhnlicher Wanderpfad. Seinen Namen könnte er eher daher haben, dass man alle Sinne geschärft halten muss, um nicht über Wurzelwerk und Steine stolpernd in die Tiefe zu stürzen.

Wer das vermieden hat, kommt unten beim Bachbett an, wo ein schaukelndes Hängebrückchen weiterführt zum „Ort der Stille“. Wieder ein Name gemacht dafür, in einem Reiseführer gut auszusehen. Doch er hält, was er verspricht. Schon den ganzen Weg hinunter war keine Menschenseele zugegen, und auch der Ort der Stille liegt verlassen da – still ist es hier wirklich. Ein mächtiger Fels an der Talsohle schirmt den Schall des Baches und des übrigen Tales ab. Auch die nahe gelegene Straße ist nur ganz selten zu vernehmen, wenn ein Motorradfahrer besonders viel Gas gibt. Hier lässt sich erahnen, wie das Tal einmal gewesen sein mag, bevor die frühesten Siedler hier einwanderten. Und wie es einmal sein wird, wenn in Zukunft vielleicht keine Menschen mehr dauerhaft im Bschlaber Tal leben.

Vor 800 Jahren sollen die ersten Bergbauern mit ihrem Vieh das Hahntennjoch hinaufgewandert sein, wahrscheinlich aus dem Engadin. Aber so sicher sei man sich da nicht, hat der Dorfchronist gestern noch erzählt. Vielleicht sei das Tal auch schon länger bewohnt. Der Name Bschlabs stammt jedenfalls aus dem Rätoromanischen, von pos l’aves für „hinter den Wassern“. Damit müssen der Streimbach und der Plötzigbach gemeint sein, die ganz in der Nähe zusammenfließen. Bis 2.300 Meter, also fast bis an die Gipfel der umliegenden Berge, haben die Bauern früher die Wiesen gemäht, um ihre Kühe mit dem Heu durch den langen Winter zu bringen. Heute wachsen auf manchen der Wiesen wieder Büsche und so manches junge Bäumchen. Der Wald holt sich stückweise zurück, was ihm die Talbewohner in jahrhundertelanger Arbeit abgetrotzt haben.

Nach zwanzig Minuten am Ort der Stille regt sich das Bedürfnis nach einem stillen Örtchen, und da gibt es in Bschlabs nur eine Option: den Gasthof Zur Gemütlichkeit. Als die Kirchturmuhr gegenüber zwölfe schlägt, steht auf dem Parkplatz ein halbes Dutzend Motorräder in der Sonne. Bärig!, entfährt es einem Mann, als er von seiner BMW absteigt und das Gebirgspanorama mit den Augen einsaugt. Beim Fahren wirken die Motorradfahrer mit ihren Helmen und Ganzkörperpanzerungen wie ein Teil der Maschine, ohne Gesicht oder Alter oder andere menschliche Erkennungsmerkmale. Doch wenn sie hier absteigen und die Helme vom Kopf streifen, kommen Falten und graue Haare zum Vorschein. Und aus den geöffneten Lederjacken quillt der eine oder andere Bierbauch. Die Motorradfahrer, die hier in riskanten Manövern das Joch hinaufkurven, scheinen alle jenseits der fünfzig zu sein. Nicht nur das Dorf altert zusehends, sondern offenbar auch seine Besucher.

Jetzt wirkt die Sonnenterrasse nicht mehr überdimensioniert. Fast alle Tische sind besetzt. Man hört ein Durcheinander von Dialekten aus Tirol, Vorarlberg, Bayern, dem Allgäu und dem Schwabenland. Die Motorradfahrer sitzen da und strecken die Beine von sich, bestellen Radler und gespritzten Apfelsaft und hausgemachten Zwetschkenkuchen. Der Parkplatz neben der Kirche ist fast bis auf den letzten Platz besetzt, nicht nur mit Motorrädern, sondern auch mit immer mehr Autos. Die meisten haben deutsche Kennzeichen. In Grüppchen wandern Urlauber durch Bschlabs, machen Fotos vom Kirchturm, sehen sich die Anschlagtafel vor dem Gemeindeamt an und die Gräber auf dem Friedhof. Einheimische sind keine auf der Straße, die meisten sind wohl ausgependelt und kommen erst am Abend wieder. So wirkt das Dorf schon jetzt wie ein Freilichtmuseum. Nur ein Schranken mit Kassaschalter fehlt noch.

Der Bürgermeister hat mir am Vorabend noch ein paar Zettel zur Dorfstatistik mitgegeben. Bei einem Zwetschkenkuchen blättere ich sie durch. Ob Wohnbevölkerung, Nächtigungsentwicklung oder Anzahl der Betriebe – die Linien auf den Diagrammen wandern alle talwärts. Seite siebzehn ist die deprimierendste von allen. Da findet sich eine Tabelle mit den Einrichtungen zur Grundversorgung. Metzger, Bäcker, Nahversorger: Null. Polizeiinspektionen, Ärzte, Apotheken: Null. Postämter, Banken, Tankstellen: Null. Zwischen den ganzen Nullen findet sich ein einziger Einser unten in der Tabelle. Er steht für die Volksschule in Bschlabs, nur ein paar Schritte hinter dem Gasthof Zur Gemütlichkeit gelegen.

Dort treffe ich Evelyn Friedl, die Lehrerin. Ein Vorraum und ein Klassenzimmer, das ist die ganze Volksschule, an den Wänden hängen überall Kinderzeichnungen und Poster mit Sinnsprüchen. Friedl bietet mir einen Kaffee und einen viel zu kleinen Sessel zum Sitzen an. Sie ist eine der wenigen Zugezogenen hier, hat aus Imst hergeheiratet und selbst zur demografischen Entwicklung im Dorf begetragen: Sie hat zwei Kinder bekommen. In Imst sei es auch schön, doch wenn sie aussuchen könne, dann wohne sie lieber hier in Bschlabs, sagt Friedl und schaut beim Fenster hinaus in den wolkenlosen Himmel. Aber Jobs seien halt keine da, bis auf die Straßenarbeiter und eben die Lehrerin. Doch auch das wird im Juli vorbei sein: Zusammen mit Friedls eigenen gehen noch drei Kinder in die Volksschule. Zwei davon sind Vierteler. Wenn die nächstes Jahr in die Hauptschule wechseln, gibt es zu wenig Schüler für den Unterricht und auch die Volksschule sperrt zu. Dann müsse sie wie die anderen auspendeln.

Aber da sei nicht nur Bschlabs betroffen. In der Umgebung, in Namlos, in Gramais, in Kaisers, überall das gleiche Thema mit der Entsiedelung. Aber Friedl gibt die Hoffnung nicht so leicht auf. Nur ein paar Junge müssten dableiben und sich eine Frau oder einen Mann herholen. Dann gibt es wieder Kinder und die Häuser sind eine Generation länger bewohnt. Sie habe immer schon gesagt, wie man Leben ins Dorf bringen könne: Man müsse ein SOS-Kinderdorf hier bauen. So wären immer Kinder für die Volksschule da, und dene tats do an nix fehln. Doch Jobs würde so ein Kinderdorf halt auch nicht bringen, sagt sie dazu.

Draußen berührt die Sonne gerade die Berggipfel, es wird kühler und der Parkplatz beim Gasthof Zur Gemütlichkeit leert sich. Aus dem Freilichtmuseum wird wieder das verlassene Dörfchen. Zeit, zurück ins Inntal zu fahren. Auf den Wiesen bei der Dorfausfahrt sind Leute zu sehen, sie mähen das Gras. So einfach überlassen sie dem Wald nicht, was ihre Vorfahren ihm entrissen haben. Doch bald wird niemand mehr da sein, um die Wiesen zu mähen. Pläne und Ideen gäbe es genug, um dieses Schicksal abzuwenden. Sanften Tourismus. Ein Wasserkraftwerk. Ein SOS-Kinderdorf. Oder gar ein Glasfaserkabel. Doch was soll eine Softwarefirma oder ein Radiologe hier, wo es noch nicht einmal einen Bäcker gibt? Die Pläne scheinen ein letztes Aufbäumen vor dem unvermeidlichen letzten Akt zu sein. Sie hätten halt früher auf ihre Landschaft aufgepasst und das falle ihnen jetzt auf den Kopf, hat der Bürgermeister am Vorabend gesagt. Und die anderen Täler, die die Natur ausgebeutet hätten, die dürften jetzt weitermachen, weil ohnehin kaum noch etwas zu retten sei.

Neben der Straße spazieren wieder ein paar Kühe herum und bimmeln mit ihren Glocken. Nach jeder Kehre offenbart sich ein neues Postkartenmotiv, als wollte das Tal zum Abschied noch einmal sagen, sieh, Mensch, das alles habe ich dir gegeben, und du weißt nichts damit anzufangen. Dann nehme ich es mir eben zurück. Die Ampel vor dem Joch ist grün. Noch darf man durchfahren, aber in ein paar Wochen, mit dem ersten Schneefall, wird sie auf rot umschalten. Dann sind bis zum Frühjahr auch keine Motorradfahrer mehr zu hören, und das ganze Tal wird zum Ort der Stille.

 

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