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Fließtext*
Von Michael Köhlmeier

DIESE MENSCH WIE MIR Von dem ist ncihts merh übrig. Den hats durch den Wolf gedreht. Der ist unten. Hackfleisch mit Flüssigem sozusagen. Und dann rinnt das ab wie ncihts. Durch den Boden. Dann regnets drauf. Das setzt sich in den Boden. Und auf einmal ist es Boden. Gras wächst drüber oder sonst grünes Zeug. Und weg ist es. So hat mans uns erzählt. Wie ncihts. Der war der Vorfahrer gewesen, der Vorfahr, Tschuldigung. Es tut mir leid, dass ich nicht schreiben kann, und einen angaschiert habe, der das kann, aber auch nicht gut. Ich sag ihm, was er schreiben muss. Und sag ihm, dass er es schreiben muss, wie ich es will, und kein Wort weniger oder mehr, weil er sonst die Gabel ins Ohr krigt. Das ist so ein Spruch bei uns. In der Famely. Gabel ins Ohr. Kann man sich leicht vorstellen, was das weh tut. Der Vorfahr, ich habs ausgerechnet, der Urgroßvater war es von mir, auch nicht richtig, weiter hinter. Gibt’s da einen Namen dafür? Dr Mensch halt. Mit dem hat die Mensch angefangen, die wir sind. Diese Mensch wie mir. Was hat der gemacht? Erstens war der ein Angeber. Der hat Sachen erzählt, angeblich! Hat grad reden können und Sachen erzählt. Der hat nicht richtig reden, hat der nicht gekonnt, nein. Und hat erzählt. Sagenhafte Sachen. Wär er so einer nicht gewesen, der ganze Berge in Kirchen und Paläste hinübergeredet hat, wie in einem Traum, den ich einmal hatte, wo aus einem Felsen hundert Meer hoch auf einmal eine Tür heraus gebrochen ist, dann die Trümmer gefallen sind, und dann war der Felsen eine Kirche, so hat es der Vorfahr gemacht, der der Urgroßvater oder wie war von mir, hätte er’s nicht so gemacht, dann würde keiner mehr seinen Namen wissen heute, und ich müsste Sachen erzählen, die keiner weiß, und das kann ich nicht so gut, und müsste ständig mich aufplustern, sonst würde es keiner glauben, das wäre anstrengend, ich würde es lassen. Und wer ihm nicht geglaubt hat, dem hat er das Messer ins Ohr gehauen. Von da kommt der Ausdruck. Aber er hats gemacht. Ich bis jetzt nicht. Kann noch kommen. Er schon, der. Bei ihm wars nicht ein Ausdruck, der nur geredet wird. Hat denen, die ihm irgendwie gekommen sind, das Messer ins Ohr gehauen. War seine Spezialität von dem. Man musste ihm nur irgendwie kommen. Und stecken lassen. Stecken lassen hat er das Messer im Ohr von dem. Und verboten, dass es jemand herausnimmt. Das war ein Aff, ein Mann wie ein Aff. Haare am Rücken zu Beispiel. Wenn der aus dem Pool heraus ist zum Beispiel, dann war das wie Schlamm an seinem Rücken. Schwarzer Schlamm. An dem ist das Wasser abgeronnen. Und an der Brust und am Bauch auch. Den Schwanz hat man angeblich gar nicht gesehen, so viele Haare. Sackhaare bis zu den Knien. Und im Gesicht auch. Einen Schädel, ich sag dir, schreib das, einmal hat ihm einer das Beil in die Stirn hauen wollen, ist nicht durchgekommen. Am Ende hat man, nach dem Tod, mein ich, hat man seine Knochen gemahlen und mit Zement zusammen und Wasser und eine Mauer gebaut und das Fleisch, das habe ich schon gesagt, durch den Wolf gedreht und mit Wasser verdünnt. Schreib das genau so! Aber die Haare erst abrasiert und in ein Kissen gestopft, von ganzen Körper die Haare, das ist mein Kissen bis heut. Riecht noch nach ihm. Riecht nach warmen Keks und ein bisschen Fisch und verbranntem Gummi. Hat mir der Papa geschenkt. Ich brauch kein Argament. Ich sags einfach, wies ist. Der Papa hats von seinem Papa geschenkt bekommen. Und so weiter. Es gibt glaub ich keinen Namen für den Vorfahr. Wers in der Family kriegt, das Kissen nämlich, ist der Wichtigste. Da gibt es keine genaue Bezeichnung dafür. Braucht es auch nicht. ¶ Und bei dem fang ich an. Bei dem Aff. Das dürft ich nicht laut sagen in der Family. Aber jeder in der Family denkt sich das Gleiche, wenn er das Foto anschaut, wie der Vorfahr, der Aff eben, wie der am Tisch sitzt und eine Zigarre in der Hand und vor sich einen Konjak und einen Kaffee, was ein gestelltes Foto ist, er hat gedacht, das ist ein vornehmer Mensch so einer, der einen Konjak vor sich hat und eine Zigarre und einen Kaffee und dabei schaut, als würde er denken. Hat er nicht. Der hat nie gedacht. Der hat auch nie ein Argament nötig gehabt. Aber einen Smoking hat er sich angezogen für dieses Foto. Wer von uns in der Famely das Kissen hat, braucht kein Argament. Das sagt man bei uns. Ist aber etwas Lustiges. Weil so viel wissen wir dann schon, ich meine ich weiß so viel, dass das ein falsches Wort ist. Ein Beispiel, in dem auch der Smoking vorkommt, erzähl ich jetzt, der Smoking vom Vorfahr, weil sonst nicht klar ist, warum der Smoking auf dem Foto ist, also: Der Aff. Der Herr Mondsteiger. So hat er nicht geheißen. Geheißen hat er blöd. So wie er geheißen hat, war der nicht, der Aff. So harmlos. Wie ein Hosenscheißer. Ein Name wie ein Hosenscheißer. Mir haben den Namen nicht mehr. Manchmal oder einmal hat einer zu ihm gesagt, er soll doch den richtigen Namen sagen, dann denkt sich der Feind, das ist ein Hosenscheißer, und nimmt nicht die große Waffe mit, sondern gar keine, und dann soll er auf ihn draufhauen mit dem Schläger, bis alles eben ist und keiner mehr weiß, wo Arsch und Gesicht hingehören. Das hat er abgelehnt. Auf jeden Fall: Kommen wir zum Smoking. Ich glaub fast, dass mit dem Smoking alles anfängt. Ein paar Sachen schon. Er war einmal eingeladen bei den Adlern. Der Aff. Ist wahr. Ich hau dir nicht das Messer ins Ohr, wenn dus nichts glaubst. Sag, du glaubst es nichts. Sag einfach, du glaubst es nichts. Ich tu nichts. Schau, wo ich die Hände habe. Ich könnt die Wolken melken. Die Adler, das weiß ich schon, die hätten einen von uns nie eingeladen, drum glaubst dus ja auch nichts, die haben uns gar nicht angeschaut, lieber die Augen herausgenommen und im Hosensack vergraben und Haut drüber wachsen lassen, als uns anschauen, die Ein-gebildeten die, die eingebildeten Rohfleischfresser. Kommt noch, kommt noch! Weil aber der Vorfahr, der Aff, der Herr Mondsteiger, in unserem Acker, in unserer Straße, meine ich, Acker drum, weil alles, was Weib ist, hat er gevögelt in der Straße, Samen aussäen, das war seines, darum Acker, also, weil er in unserem Acker herumerzählt hat, als er einmal wieder weg war vom Fenster so zwei Wochen lang, dass er bei den Adlern gewesen war, das hat er erzählt, der Angeber. Hat ihm logisch niemand geglaubt. Aber er hat niemand Messer ins Ohr gehauen. Was eh schon ein Wunder war. Der hat gestunken aus dem Arsch, das kann sich heute niemand mehr vorstellen, wo alle Vitamine essen, das nebenbei. Er hat herumerzählt, dass er von den Adlern eingeladen war und gegessen hat bei denen, was die halt so auf den Tisch laden, wenn einer ein Gast ist von denen, ein heiliger. Und er hat aufgezählt, was das ist, und dass er die Adler halb arm gefressen hat und gesoffen hat. Und dass die nichts dagegen tun können. Hat sich einen Holzfuß gelacht, der Aff: Die können ncihts dagegen tun, weil der Gast heilig ist, der denen die Tapeten von der Wand schlecken, nichts, nicht können sie tun, müssen ihm sogar neue Tapeten anbieten. So gelacht, wie der hat, meine Güte. Und dass sie irgendwann, logisch bei dem Riesenmaul von dem Vorfahr, dass sich nichts mehr gehabt haben zum Anbieten. Und da? Da. Jetzt schreib das genauso. So hat er es nämlich gesagt. Er war nicht so, alles gelogen, aber so hat er es gesagt. Dass er den Tochter von den Adlern, der jüngsten nämlich, der mit dem schönsten runden Arsch, der bei jedem Schritt den Rock gespannt hat, so ein Arsch, dass er in genau den Arsch hinein gebissen hat vor Hunger. Und da stand eines Tages der Depp von den Adlern in der Tür, der, den sie immer dann geschickt haben, wenn etwas Kleines zu erledigen war, das ohne jedes Blut gemacht werden kann. Und der Depp hat gesagt: So, so, so. So, so, so. So, so, so. Und das hat geheißen, jetzt pass auf: Das hat geheißen: Jetzt bist du dran, Mondsteiger. Jetzt kommen die Adler zu dir auf Besuch. Du hast bei ihnen gefressen und gesoffen, dass sich dein Arschloch beim Scheißen gedehnt hat wie ein Schlangenmaul, wenn die Schlange einen Ochs frisst, nur dass der Ochs herausgekommen ist und nicht hineingegangen ist, so, und darum kommen jetzt die Adler zu dir und wollen auch in dieser Art fressen und saufen. So, so, so. Da kann einer hinlegen, sag ich dir. Da genügt nicht Salami und Marmelade. Dem Mondsteiger ist die Muffe gegangen. Mit dem Karren hat er Zeug hergeschafft und gekocht. Und Brot geschmiert. Auf das eine das, auf das andere etwas anderes. Aber zu wievielt sind sie gekommen? Sieben erst, dann hats noch einmal geschellt, wieder sieben. Zähls du zusammen. Zähl mit! Dann hats noch einmal geschellt. Wieder sieben. Oder sechs. Am Schluss acht. Und nachts um eins sagt die Tochter, die mit dem Hintern, dem feinen, dass sie da etwas gehört hat, wo er angeblich noch hinein gebissen hat, der Mondsteiger. Und dass sie nicht böse ist, dass er das gesagt hat, im Gegenteil, weil so ja auch ihr Hintern berühmt wird. Und wer hat nicht gern einen berühmten Hintern. Aber! Und jetzt: Sie will dafür Osso Bucko oder wie das heißt, auf das ist sie ganz verrückt. In Wirklichkeit, sag ich dir, hat sie den Text auswendig gelernt. Ich war nicht dabei, aber ich sage es. Mein Papa hat das gesagt, der war auch nicht dabei. Und dem hat es sein Papa gesagt, und der war auch nicht dabei und so weiter. Bis zurück. Sie war ein blitzblödes Ding, die nie auf die Idee gekommen ist, auf die sie gekommen ist, und Osso Bucko oder wie das heißt, wie soll das in diesen blöden Kopf hinein. Das hat der alte Adler sich ausgedacht. Aber der Vorfahr hat nicht gewusst, was das ist. – Was ist Osso Bucko? – Beinfleisch. – Beinfleisch mit dem Knochen in der Mitte. – Woher soll er das nehmen. Und da haben sie, die Adler, einer nach dem anderen, angeblich alle. Wieviel sind es? Du hast doch mitgezählt. Alle haben, einer nach dem anderen, auf das Bein vom Mondsteiger draufgedrückt mit dem Finger. – Das da. Das ist ein Bein. Ist das ein Bein? – Das ist mein Bein. – Und ist in dem Bein ein Knochen? – Logisch. Wird schon sein. – Da will ich ein Stück, hat die Tochter gesagt. Du hast mir in den Hintern gebissen vor Hunger, und ich will Osso Bucko von dein Bein. Da hätt der Aff gern gesagt, dass alles gelogen ist. Hat er aber nicht. Wie geht das, hat er gefragt. – Eine Säge musst du nehmen, und mit der Säge musst du dir das Bein absägen und dann von dem abgesägten Stück noch so eine Scheibe absägen. Das ist besser, als von dem Bein selber dann noch eine Scheibe absägen. Warum? Weil es dann zweimal weh tut, und das muss nicht sein.

— * Text, der in einem Stück und ohne Unterbrechungen durch Absätze, Überschriften, Abbildungen, Fußnoten u. Ä. gesetzt wird.
— Aufforderung, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und dabei nicht zurückzuschauen; freihändig draufloszulegen, ohne zu korrigieren; die Buchstaben zu Papier zu bringen und bedenkenlos aus der Hand zu geben.

 

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