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Fließtext*
Von Albert Ostermaier

aus dem fluss

regen auf die sonne gewartet
tag für tag regen vor die tür
gegangen regen aus dem fenster
geschaut regen im spiegel
mein verregnetes gesicht
die ganze visage verhagelt
hagel ja regen nein hagel
schlägt wie das herz aber
der regen sticht messer
regnet es in tirol nicht
bindfäden regnet es nur
messerspitzen stichwunden
vom regen wattewolken
bräuchte man jodwolken
sonnenbrände die ganze
seele das herz der rücken
durchstochen perforiert vom
regen aufgeweicht ein ganz
weiches wundes herz vom
regen schutzlos abgeschirmt
vom himmel der welt regen
nichts regt sich ausser dem
regen der regen regt mich
auf regt mich nicht an ich
kann an nichts als den regen
denken nasse hände nasse
füsse es gibt kein schlechtes
wetter aber den regen gibt es
lauter striche der regen hat
mir seine striche durch die
rechnung gemacht ausgestrichen
hat er mich zeile für zeile und
dann alles verwässert fortgespült
springflutartig die zeilen ans
zeilenende gespült und dann
hinuntergestürzt wie ein wasser
fall in die abgrundtiefe dunkle
sinnlosigkeit das papier zuvor
vollgeschrieben jetzt ist es leer
leere seiten ich fühle mich wie
ein leeres blatt papier auf das ich
nicht mehr schreiben will keine
striche nur stiche dauerregen
dauerstiche jeder regentropfen
ein stich auf mein wort jedes
wort abgestochen vom regen
was eine wiese war ist jetzt nur
dreck landschaftsdreck alles
dreck brauner sumpf verdreckt
einen dreck geht mich das an
dreckige geschäfte überall wie
überall der regen dreckschleudern
schlammschlachten während sie
in syrien in der ukraine im irak
verrecken kümmern sie sich einen
dreck darum hier saubere hände
saubere geschäfte waffenlieferungen
wie der regen aus dem himmel
ohne exportbeschränkung nur sich
nicht selbst dreckig machen immer
die hände in unschuld waschen
im regen die anderen stehen lassen
im blutregen die schönen berge
plötzlich leichenberge bis gras
darüber wächst das gras liebt den
regen denn der mensch und alles
fleisch es ist wie gras singen sie
die herzkammern überflutet an
den herzwänden wasserschäden
die lungen durchgespült die leber
schwarzwasser die ache die flüsse
sie steigen bis zum hals nur regen
die sonne kommt nicht mehr von
alleine

—* Text, der in einem Stück und ohne Unterbrechungen durch Absätze, Überschriften, Abbildungen, Fußnoten u. Ä. gesetzt wird.
— Aufforderung, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und dabei nicht zurückzuschauen; freihändig draufloszulegen, ohne zu korrigieren; die Buchstaben zu Papier zu bringen und bedenkenlos aus der Hand zu geben.

 

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