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Fließtext*
Von Thomas Jonigk

/ Klingel Klopfen dreimal viermal instinktiv springe ich auf panisch bleibe ich sitzen was ist wenn die das sind was wenn die das nicht sind was mache ich wie verhalte ich mich wie schütze widersetze verteidige ich mich wie komme ich erhobenen Hauptes hier heraus wie kann ich erhobenen Hauptes hier bleiben hier an meinem Platz an diesem Tisch auf diesem Stuhl wie schaffe ich das wie überlebe ich das wie überstehe ich das IN FREIHEIT wie schaffe ich es die Panik abzustellen Panik die meinen Kopf MEIN ÜBERAKTIVES HIRN torpediert in meine Magengrube fährt ins Grab was sage ich was denke ich was haben die aus mir gemacht das ist nicht das Grab ein gesunder funktionsfähiger VOLLKOMMEN WILLKÜRLICH ANGEKLAGTER IN DIE ENGE GETRIEBENER Mensch wie ich der das Recht zumindest theoretisch auf seiner Seite hat das sind nicht Ende Abgrund Folter Isolationshaft und so weiter nein das sind höchstens die die die ich SPÄTESTENS SEIT DAMALS SEIT DEM BESAGTEN TAG erwartet habe seit zwei oder vier oder fünf Tagen erwartet habe messbare Zeit ist nie meine Expertise gewesen das Getaktete das Gehorchen das Folgsame Aufstehen am Morgen Hinlegen am Abend der Schlaf die Träume vom Nichts OHNE MICH ich kann das nicht ich will und werde das nicht auf ab auf ab wie ein Fremdgesteuerter ein Hergestellter ein Massenmensch ein Angepasster Mitläufer Deformierter Uniformierter Kämpfer im Namen des Vaterlandes im Namen von Hitler Stalin Putin Erdogan Le Pen Margaret Thatcher Angela Merkel Andrea Nahles Claudia Roth Renate Künast Sahra Wagenknecht Imelda Marcos Lucrezia Borgia und wie sie alle heißen ich nicht ohne mich mein Körper gehört mir ich lasse mich nicht anfassen erfassen mein Gehirn auch WAS HABT IHR EIGENTLICH ALLE WAS WOLLT IHR ALLE ICH HABE NICHTS GEDACHT NICHTS HABE ICH GEMACHT nur gedacht und auch das nur zum Zweck der Selbstverteidigung wir brauchen keine rückständigen gehirnwaschenden massenabfertigenden Schulen keine Bibliotheken mit eurozentrischen kriegsverherrlichenden letztlich noch immer kolonialistischen Geschichtsbüchern keine Museen mit Portraits von Königinnen Hoffräulein Prinzessinnen irgendwelchen Konkubinen und Amazonen und mit zeitgenössischer unbezahlbarer handwerklich schlechter und in keiner Weise mehr beurteilbarer moderner Kunst die man vor weniger als hundert Jahren entartet genannt hat und was sollen alle diese Polizeistationen diese Videokameras und Überwachungseinrichtungen dieser gesamte Überwachungsstaat der seine Augen HIER VOR MEINEM FENSTER HIER AN MEINER TÜR auf mich gerichtet hat was bitte schön soll das wozu dient das wenn nicht dem Zweck den Menschen kaputt zu machen kleinzuhalten und bis ins letzte Detail zu kontrollieren bis in mein Gehirn bis in meine geheimsten Gedanken hinein denn die halten mich für gefährlich für gemeingefährlich dabei habe ich das doch alles nur gedacht NUR GEDACHT nichts davon habe ich ausgeführt weder habe ich Sprengstoff im Haus noch weiß ich wie man ihn herstellt nicht einmal Waffen habe ich
da Pistolen Macheten Springmesser all das wie also soll ich irgendetwas von dem was ich gedacht habe und die Gedanken sind frei nebenbei gesagt wie soll ich also irgendetwas von dem was ich gedacht habe in die Tat umsetzen das hätte ich doch gar nicht ich wüsste gar nicht wie man eine Frau vergewaltigt mal ehrlich zumal die führenden Politikerinnen alle abseits der Öffentlichkeit leben UND DANN NOCH MEINE NACHBARIN dieses pseudo-politische widerliche Weib das sich seiner eigenen gesellschaftlichen und individuellen Unterdrückung durch Staat und Patriarchat noch nicht einmal bewusst ist MEINE NACHBARIN mir so etwas vorzuwerfen ist übergriffig menschenunwürdig mitleiderregend WIE ICH ein gelähmtes und gleichzeitig panisches Wesen das auf seinem Stuhl festgeklebt ist und gleichzeitig an der Tür sein will die Tür aufreißen will und endlich einen Gedanken einen immer und immer wiederkehrenden alles zerstörenden Gedanken ENDLICH in die Tat umsetzen will aber was ist wenn die das sind was ist wenn die das nicht sind was ist wenn das was ich DAMALS AN DEM BESAGTEN TAG gedacht habe wahr ist geschehen ist und zwar nicht freiwillig wenn ich wenn ich weiß nicht was ich sagen was ich machen was ich nicht machen soll muss kann darf und so weiter und so weiter noch einmal noch zweimal schon wieder die Klingel das Klopfen das verweist doch auf eine bestimmte offizielle behördliche staatliche Dringlichkeit niemand der nichts von jemand will macht sich die Mühe ununterbrochen bzw. ständig an eines Anderen Tür zu hämmern was denken diese Weiber eigentlich diese Politikerinnen Diktatorinnen Hoffräulein und Konkubinen wissen die nicht dass sie noch immer von Männern wie mir kleingehalten werden geführt werden wie Marionetten WIE NUTTENMARIONETTEN was wollen die von mir ich rühre keine Frau mehr an ICH DENKE NICHT DARAN obwohl naja ehrlich gesagt aber der Gedanke allein richtet noch keinen Schaden an zum Glück nicht sonst wäre niemand von euch mehr übrig was glaubt ihr dass ich dumm bin naiv dass ich einfach in die Falle tappe dass ich wie ein Verrückter zur Tür renne um aufzumachen ich nicht ich habe es nicht nötig wie ein Verrückter zur Tür zu rennen ich nicht beileibe nicht ich bleibe wie ein Verrückter sitzen hier an diesem Tisch auf diesem Stuhl in diesem menschlichen Körper der mir gehört Klingeln Klopfen schon wieder Klopfen Klopfen das hört nicht auf Klingeln Stimmen jetzt auch Stimmen zwei männliche und eine weibliche die weibliche ist eindeutig nein ich irre mich nein ich irre mich nicht die weibliche ist eindeutig die Stimme meiner Nachbarin was macht meine Nachbarin an der Seite der Polizei Polizei Polizei die Worte sind eindeutig herauszuhören unter dem Klingeln dem Klopfen ICH BIN DAS OPFER ein Opfer der Staatsgewalt der Diktatur der gesetzlich verordneten Gehirnwäsche die jetzt Schlange steht vor meiner Tür sie will mich kriegen mich ich weiß nicht was ich Klingel Klopfen dreimal viermal instinktiv springe ich auf panisch bleibe ich sitzen was ist wenn die /

— * Text, der in einem Stück und ohne Unterbrechungen durch Absätze, Überschriften, Abbildungen, Fußnoten u. Ä. gesetzt wird.
— Aufforderung, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und dabei nicht zurückzuschauen; freihändig draufloszulegen, ohne zu korrigieren; die Buchstaben zu Papier zu bringen und bedenkenlos aus der Hand zu geben.

 

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