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Der Parasit

Sophie Tiller lässt es in einem künstlerischen Langzeitprojekt aus Naturkundebüchern sprießen – und zeigt Bilder davon erstmals in Quart (auf den folgenden Doppelseiten). Hier ein paar Zeilen zur Arbeit:

„Verwendet wurden Naturkundebücher, in diese wurden Löcher gebohrt, mit Erde befüllt und Kapuzinerkresse gepflanzt. In jedem Bild wird ein Durchgangsstadium gezeigt. Wir sehen keinen Anfangs- und keinen Endpunkt, sondern verschiedene prozesshafte Versuchsanordnungen, die keine chronologische Abfolge zeigen.

Es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Dokumentation, sondern um eine freie Interpretation der verschiedenen Stadien und Zustände. Es geht um das Hinterfragen von Ordnungssystemen und um den Wunsch des Menschen, alles aufzulisten und dadurch dauerhafte Ordnungskriterien aufstellen zu können. Die Pflanzen ihrerseits erwachen zum Leben, verselbständigen sich, geraten außer Kontrolle – der nicht vorhersehbare Prozess nimmt seinen Lauf. Dies steht für das Chaotische und Irrationale des Lebens mit seiner Alogik und Zufälligkeit.

Gepflanzt wurde Kapuzinerkresse, eine mehrjährige, widerstandsfähige und genügsame Pflanze, die in ihrem Lebenszyklus Blüten und später Früchte bekommt. Die erste Ansiedlung einer Lebensform ist hier nicht dem Zufall überlassen, sondern planmäßig initiiert. Später sind andere Pflanzen-‚Parasiten‘ durch Flugsamen hinzugekommen und verdrängen die Kapuzinerkresse in immer größerem Ausmaß.
Die pflanzliche Besiedelung bereitet den Lebensraum für die tierische Besiedelung vor (Würmer, Bakterien, Schnecken …)

Das Buch steht in dieser Arbeit symbolhaft für die kulturelle Leistung des Menschen, die über seinen Tod hinaus existiert und zur Grundlage neuer Transformationsprozesse wird. Auch der Körper bleibt noch eine Zeit lang bestehen, bis er irgendwann zur Grundlage von Pflanzen wird.“

 

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