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Leben am (Wald-)Rand

Immer mehr Menschen zieht es in die Natur, in Siedlungen am Rand der Dörfer und Felder, die durch schnieke Architektur und biedere Gärtchen auffallen – warum eigentlich? Von Bernd Schuchter

Aus dem Augenwinkel nehme ich das Ortsschild wahr, Lans. Das Navi dirigiert mich durch die Engstelle am Dorfrand und empfiehlt mir, rechts abzubiegen, vorbei am Isserwirt, in dem der Dichter Georg Trakl ganze Abende vertrunken haben soll, ehe er spätnachts dem nahe liegenden Schloss Hohenhausen, wo er auf Empfehlen seines Mentors Ludwig von Ficker, des Herausgebers der Zeitschrift Der Brenner, eine Zeit lang wohnte, entgegenwankte.
Nach ein paar Metern sehe ich linkerhand das Gasthaus Wilder Mann, dessen Stammtisch ich mir kurz vorzustellen versuche. Der Stammtisch als der Dorfbrunnen der Männer, wo sie – bei einem Bier sitzend, Karten spielend – über die Neuigkeiten des Tages, der Woche, des Monats sprechen. Auch streiten, Feindseligkeiten austauschen, weil sie sich über die Jahre im Dorf so gut kennengelernt haben. Kopfschütteln über die Politik in der Stadt, im Tal unten. Hier oben ist Innsbruck weit weg – aber stimmt das eigentlich?
Sie sprechen über das Wetter, das Skifahren, den neuen Pächter einer Alm, das Wandern, den Berg, die geplante neue Bahn und die dazugehörige Trasse, vielleicht die kommende Ernte, die nächsten Feste im Dorf, die Musikkapelle und darüber, wie gelungen die Aufführung beim Muttertagskonzert war; zwischendurch werden die Männer ernst und bestellen mit stummer Geste noch eine Runde Bier, denn sie denken darüber nach, wer eben oder vor Kurzem gestorben ist, wie das Begräbnis war, wer in der Kirche gefehlt hat und was der Herr Pfarrer über den Toten für einen Unsinn fabuliert hat.
Die Krankheiten, die Zipperlein, das Wetter sind aber ohnehin die ergiebigsten Themen; Kopfschütteln, mitleidiges Nicken, dann unterbricht ein derber Scherz auf Kosten der jungen Kellnerin das gleichmäßige Murmeln im Raum, alle lachen, der Ernst zerstreut sich.
Dabei, gibt es solche Stammtische überhaupt noch? Werden heute tatsächlich noch Wohl und Wehe des Dorfes am obligatorischen massiven Holztisch mit dem gusseisernen Aschenbecher samt Gravur entschieden? Daran kann man zweifeln. Heute gibt es wohl den klassischen Stammtisch – zumindest im Wilden Mann – nicht mehr. Heute herrscht in diesem traditionsreichen Gasthaus, das von vielen Touristen und noch mehr Innsbruckern besucht wird, die gehobene Gastronomie auf feinem Porzellan und auf Messingtellern vor. Die zwei, drei dorfbekannten Saufnasen an der Bar sind zu vernachlässigen.

Ich folge der Römerstraße, die nach ein paar Häusern Land gewinnt, dem Weg zur olympischen Bob- und Rodelbahn, zum Olympiaexpress und weiter, wahlweise nach Patsch oder im Schwenk Richtung Innsbruck nach Igls. Aber so weit führt mein Weg nicht; kurz nach dem letzten Haus am Rand des Dorfes führt ein schmaler Hohlweg bergauf. Nach etwa dreißig Metern biege ich nach links ab, und nach ein paar weiteren Metern parkiere ich mit lautem Knirschen auf dem Kiesweg vor dem Haus von Alois Schöpf; wer könnte mir ausführlicher von seinem Dorf erzählen als der Schriftsteller, Essayist und Kolumnist, der wegen seinen oft heftig umstrittenen und vieldiskutierten Texten Gegenwind durchaus gewohnt ist? Wie er den Föhn im Mittelgebirge gewohnt ist, der etwa auf einem Spaziergang vom Lanser See zur Vogelhütte besonders stark weht, so dass sich die Bäume bedrohlich biegen und oft sogar brechen.
Ich klopfe an die Tür, aber niemand ist zu Hause. So mache ich kehrt und suche einen Weg zum Oberen Feld, wo in den letzten Jahren ein kleines Dorf im Dorf gebaut wurde. Ein lokaler Wohnbauträger hat hier ein zusammenhängendes Ensemble von mehreren ein- bis zweistöckigen Baukörpern, die angeblich in der Form eines Windrads angeordnet sind, erbaut – insgesamt 34 Wohnungen und neun Reihenhäuser.
Auf den ersten Blick wirkt die Siedlung wie ein Fremdkörper im sonst so idyllischen Dorf; die graubraunen Fassaden, die gleichförmigen Fenster- und Balkonreihen, die schmalen, akkuraten Gärtchen, die sich in Schlauchform aneinanderreihen, die gepflasterten Wege und die Laternen; wer wohnt freiwillig in dieser ereignislosen Vorortidylle am Waldrand, denke ich mir. Neugierig schaue ich mich um, aber die meisten Wohnungen scheinen unbelebt, nur vereinzelt entdecke ich jemanden. In einem Garten spielen ein paar Kinder auf einer Plastikrutsche, verhaltenes Geschrei ist zu hören, sonst nichts. Es ist Sonntag, eigentlich müsste hier an solchen Tagen mehr Leben herrschen, doch ich finde keine Spur davon. Rasch verlasse ich die Anlage und gehe über die Felder, die sich oberhalb bis zum Waldrand erstrecken.
Ganz in der Nähe beginnt die Forststraße, die sich im Wald in den weitverzweigten Wanderwegen des Patscherkofel verliert; von hier gelangt man zur Sistranser Alm oder zum nahe liegenden Gasthaus Heiligwasser. Ich spaziere zum Waldrand; es ist ein sonniger, sehr warmer Frühlingstag und mir begegnen viele Wanderer, Familien mit Kindern oder ältere Ehepaare, mehrmals werde ich von Gruppen von Mountainbikern überholt, die rasch an mir vorbeiziehen. Manche schummeln, man hört das leise Surren des E-Motors.
Gleich beim Waldrand setze ich mich bei einem Brunnen auf eine Bank; still ist es hier, man hört einige Vögel und das Flirren der Insekten. Aber die Idylle währt meist nur wenige Minuten, hier herrscht Betrieb. Ständig kommen weitere Wanderer, Gruppen von Bikern, manche joggen gar den Berg hinauf. Da sind sie also, die neuen Dorfbewohner vom Oberen Feld, denke ich mir, im Wald, auf dem Berg. Sie sitzen nicht in ihren penibel gepflegten Gärtchen und machen auch keinen Ausflug in die nahe liegende Stadt. Weder mähen sie ihre kleinen Rasenflächen und sehr wahrscheinlich nippen sie auch nicht hinter verschlossenen Vorhängen in einem karg eingerichteten Zimmer an ihrem Zichorien-Kaffee, der als Ersatz herhalten muss, da sie sich den Kredit für ihre schmucken Eigentumswohnungen eigentlich nicht leisten können. Die Immobilienpreise in Innsbruck und Umgebung sind sehr hoch, ich kann mir vorstellen, dass man selbst für eine Wohnung im Oberen Feld bis zu einer halben Million Euro ausgeben muss. Das muss man erst einmal verdienen. Und dann lebt man für den Rest seines Lebens in einer Wohnung am Wald- und Dorfrand, einer künstlichen Oase mit Gärtchen und Zäunchen, die am Reißbrett entstanden sind, Tür an Tür mit irgendwelchen Leuten. Ein fauler Kompromiss im Streben nach dem Traum vom abgelegenen Häuschen im Grünen samt Gemüsegärtchen und eigenem Komposthaufen. Weit und breit kein Baum, den sich ein Specht für sein Loch aussuchen würde; das braucht noch ein paar Jahre, ehe die Begrünung wie natürlich gewachsen aussieht. Stattdessen leises Motorengeräusch, das durch den Luftschacht der Tiefgarage dringt. Auch die wurde ins weite Feld getrieben. Dafür können die Kinder auf den autofreien, gepflasterten Wegen und in den kleinen Gärtchen ohne Gefahr laufen und spielen.

Im Mittelgebirge und in den Innsbrucker Vororten entstehen solche Siedlungen in den letzten Jahren mit beharrlicher Regelmäßigkeit, etwa die Wohnanlage Anna-Dengel-Straße in Kranebitten ganz im Westen von Innsbruck nahe der neugestalteten und mit einem ausladenden Spielplatz bebauten Wiese oberhalb des Campingplatzes, die früher einfach nur eine Wiese war, wo im Sommer gegrillt wurde. Auch hier – akkurate Terrassen und Grünflächen, gleichförmige Wege, Wohnkörper in Würfelbauweise, Passivhausstandard, schlicht und praktikabel – spiegelt sich in den durchaus sinnvollen und wahrscheinlich mehrfach ausgezeichneten Architektenbauten eine gewisse Spießigkeit, die Melancholie ausstrahlt, die schließlich auf die Bewohner übergehen muss. Daher sieht man auch hier, abgesehen von den obligatorischen Mamis und ihren Kindern, die winzige Plastikrutschen in den ebenfalls winzigen Gärtchen hinunterrutschen, kaum jemanden auf den Zehn-Quadratmeter-Terrassen sitzen oder hinter den Vorhängen oder den großen Fenstern in der Küche stehen. Sie alle flüchten vor der faden Tristesse dieser Nutzsiedlungen und laufen auf den Berg oder – wie in Kranebitten – in die Klamm, und weiter hinab ins Tal zum Inn und da entlang des Flusses bis nach Innsbruck. Vielleicht siedeln sich hier aber auch die sogenannten planespotter an, für die Innsbruck mittlerweile berühmt ist, also Flugzeugliebhaber, die den Maschinen beim Starten und Landen zuschauen wollen und ganze Serien von Fotos schießen. Man kennt solche leidenschaftlichen Vorlieben auch von anderen Hobbys, etwa bei den Sammlern von Kaffeerahmdeckeli in der Schweiz oder den Zugstreckenaficionados, die berühmte Zugstrecken wie jene des Bernina- oder des Glacier-Express (übrigens ebenfalls beide in der Schweiz) befahren. Innsbruck ist für die planespotter aus aller Welt ja deshalb eine Besonderheit, weil die Flugzeuge so knapp die Stadt überfliegen und so nah am Boden landen, kaum dreißig Meter über den Köpfen der oft staunenden Fußgänger und Radler, die von Kranebitten den Inn entlang in die Stadt unterwegs sind. Die Bewohner der beschriebenen schmucken Siedlung im Westen von Innsbruck haben diesen freien Blick (und den dazugehörigen Lärm) gefühlt alle fünf Minuten, da der Flughafen Innsbruck vielfach frequentiert ist. Und auch hier, wie in Lans, keine Bäume. Warum also entschließen sich Leute, für viel Geld in diesen einförmigen, austauschbaren Nutzbauten zu wohnen und dafür ein Leben lang zu arbeiten?
Dabei ist die Frage der richtigen sozialen Durchmischung von neuen Siedlungen durchaus interessant. Wie kann ich erwarten, dass ich mich in meiner Wohnung, in der ich – meist gezwungen durch die Höhe des Kredits – für den Rest oder den Großteil meines Lebens wohnen werde, wohlfühle oder angenehme, freundliche Nachbarn habe? Natürlich kann ich eine Eigentumswohnung auch verkaufen, was aber vor der Zeit mit Verlusten verbunden ist. Was also, wenn ich mit dem älteren Ehepaar nebenan oder dem eigenbrötlerischen Herrn Müller aus dem ersten Stock nicht auskomme, es immer wieder zu Streitigkeiten um die Mittagsruhe kommt oder zu Beschwerden, dass die Kinder zu laut sind? Nun, Kinder sind laut, und wo Menschen wohnen, wird es immer Geräusche geben, laute, leise, tagsüber, aber auch in der Nacht. Den Menschen in der Stadt ist das ganz selbstverständlich, eng an eng leben sie und genießen gleichzeitig ihre Anonymität. Auch da gibt es Streitigkeiten, in den vielen Stadtwohnungen etwa kann man sich aber sagen, dass man die gleichen Rechte wie die Nachbarn hat, und dass einem die Wohnung nicht gehört, man eben nur Mieter ist (auch wenn so mancher Bewohner nach dreißig oder mehr Jahren das Gefühl hat, dass ihm seine Wohnung mehr oder weniger gehört; die Diskussionen um Mieterbeteiligungen bei geplanten Umbauarbeiten gemeinnütziger Bauträger sind dabei Legion; da es ja um die Ängste der Mieter geht, sind diese politischen Prozesse heikel bis ausweglos, ehe dann meist doch noch Lösungen gefunden werden.
Gerade Neubauten sind – was die Zusammensetzung der Siedlung, die soziale Durchmischung betrifft – ein spannendes Experimentierfeld. Wie hoch soll der Ausländer- oder Inländeranteil sein, wie viele Akademiker kann man dazu motivieren, im Block gemeinsam mit Arbeitern und Angestellten zu leben, wie schaut die Aufteilung nach Zwei-, Drei- oder Vier-Zimmer-Wohnungen aus, gibt es Gemeinschaftsräume, Freiflächen, Spielplätze; wie ist die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel und besonders wichtig: Wie viele Autoabstellplätze sind pro Wohnung möglich oder gesetzlich vorgeschrieben? Komplett neu mit Bewohnern befüllte Bauten in Innsbruck wie der Sillblock im Saggen oder das ein paar Jahre vorher neu besiedelte Areal des O-Dorf 3 sind interessante Forschungsobjekte für die Sozialwissenschaften. Im bestmöglichen Fall sieht man nach ein paar Jahren die Fortschritte, das Entstehen einer Mieter-, Käufer- oder schlicht Hausgemeinschaft, befeuert durch den Elan der ersten paar Monate, in denen manche die Initiative ergreifen und Hausfeste zu Halloween oder in den Sommermonaten organisieren. Nach einiger Zeit trennt sich aber das junge Pärchen vom Eckhaus, der Mann der älteren Dame im Parterre verstirbt und der alleinstehende Mieter im zweiten Stock regt sich mitunter maßlos über das kläffende Hündchen aus der Wohnung darüber auf und droht mit Klage. So ändern sich die Dinge, Mieter ziehen aus, im Streit und ohne, andere ziehen ein. Ein Wohnblock voller Mieter ist ein Kosmos im Wandel, ein Kommen und Gehen, ohne viel Rücksichten oder Verpflichtungen. Wenn man aber sein ganzes Erspartes und dazu noch seine Hoffnungen für sein restliches Leben in ein nobles, ein wenig spießiges Eigenheim am Rand der Stadt investiert, und sei es noch so idyllisch am Waldrand gelegen, dann begibt man sich auf unsicheres Terrain, in stürmische Gewässer – und was es da an passenden wie unpassenden Vergleichen aus dem Reich der Natur noch mehr gibt.

Eben wandert eine Gruppe deutscher Touristen an meiner Bank vorbei, überholt von finster dreinblickenden Bikern in Montur; man glaubt ihnen, wenn man sie so sieht – mit Helm und Brust-, Arm- und Beinpanzer –, dass sie bereit sind, eine Stunde später mit Todesmut den Berg hinabzustürzen, um den Thrill des Downhill-Biking zu erleben, das Adrenalin, die Spannung, die Ungewissheit. Ich gehe rasch in die andere Richtung, in den Wald. Mich empfängt Stille und der matte Moosboden, der für den Patscherkofel typisch ist. Diese Ruhe, nur Insekten summen. Ich steige über umgefallene Bäume und beobachte das Sonnenlicht, das an manchen Stellen durch die Äste bricht. Nach ein paar Metern bin ich ganz bei mir. Ich setze mich auf einen Baumstumpf und rauche eine Zigarette.
Das also suchen die Städter und die Landbewohner, denke ich mir und korrigiere mich: Das sollten sie suchen, aber auf den Wegen da draußen werden sie es nicht finden. Naturnah, denke ich mir, sind diese künstlichen Siedlungen am Rande der Stadt und der Dörfer, ohne jedoch mit der Natur viel zu tun zu haben. Mit schlechtem Gewissen drücke ich die Zigarette im grünen Moos aus, ansonsten wird keine Spur von mir bleiben.

Als ich auf den Feldweg Richtung Dorf trete, kommt mir eine Gruppe von Einheimischen entgegen; vielleicht zehn Männer – Burschen, Bürschchen, Männer und Großväter, auch zwei Kinder –, langsam schlendernd, lachend oder angeregt sich unterhaltend. Man sieht gleich, sie sind alle vom Dorf. Ihr praktischer Bürstenschnitt und die rot leuchtenden Wangen verraten die Bauern, die heute ausnahmsweise über die Wege spazieren; es ist Sonntag und vermutlich haben ihre Frauen sie aus dem Haus gejagt, damit sie in Ruhe Kaffee und Kuchen vorbereiten können, um in Ruhe Neuigkeiten auszutauschen, auch Schlüpfriges bis Skandalöses, ohne dass ihre Männer ihnen zuhören. Vielleicht reden sie auch über die neuen Dorfbewohner, die in die Blöcke im Oberen Feld gezogen sind, vielleicht aber auch nicht. Ich nicke allen kurz zu und murmle einen Gruß; sie lassen sich in ihrer guten Laune nicht stören.
Nur Minuten später spüre ich den Kies unter meinen Füßen und nach ein paar Metern treffe ich den Schriftsteller Alois Schöpf in seinem Garten. Er bietet mir einen Kaffee an und ich rauche eine Zigarette im Stehen, bis er mit zwei dampfenden Tassen wiederkommt. Jetzt kann ich ihn aufs Obere Feld ansprechen und fragen, ob er nicht findet, dass die Zugezogenen nicht eigentlich ins Dorfbild passen würden. Ich fühle mich seit meinem Ausflug fast schon als Dörfler und wäre spontan bereit, über die Bausünden der Bauträger und die Ignoranz der neuen Einwohner zu schimpfen. Wir seien nicht am Stammtisch, unterbricht er mich, ehe er hinzufügt, dass es das klassische Dorf mit seinem Gasthaus und Stammtisch samt gusseisernem Aschenbecher ja ohnehin nicht mehr gebe. Und natürlich kenne er die Leute vom Oberen Feld, sagt er. Alles nette Leute, jung die meisten, strebsam, still. Und alles Einheimische, Leute aus dem Mittelgebirge, aus Sistrans, Aldrans oder Rinn; Leute, die es sich nicht leisten können, ein eigenes Haus zu bauen, die aber dennoch in der Gegend bleiben wollen, auch bei Föhnsturm.
Quasi indigene Bevölkerung, lacht er und nippt an seiner Tasse. Keine Neureichen aus der Stadt, frage ich, keine Arzttochter, kein Anwaltssohn? Er schüttelt den Kopf. Und wer kann sich das leisten? Er zuckt mit den Schultern. Die Tasse in der Hand, erklärt er mir, dass es im Prinzip neben der Stadt nur das Dorf gebe, das Dorf aber am Verschwinden sei, und es sei schwer zu sagen, wer Stadtmensch, wer Landmensch sei heutzutage, er selbst fühle sich eher als Stadtmensch, obwohl er eigentlich ein gebürtiger Dorfmensch sei. Im Übrigen sei Lans ohnehin eine Art Stadtteil von Innsbruck, da gebe es kaum mehr Unterschiede. Die einen leben hier und bleiben hier, die anderen leben in der Stadt und am Land und könnten beim besten Willen keinen Unterschied erkennen, pendeln zur Arbeit und verbringen die Wochenenden am Waldrand.
Und der Stammtisch?, frage ich. Verschwunden. Und die schmalen Gärtchen und die akkurat gepflasterten Wege, die Straßenlaternen? Erträglich. Aus der Ferne die aufgeregten Rufe der Kinder, ich stelle mir die klägliche Plastikrutsche vor. In einem Moment der Stille vernimmt man wahrscheinlich ein leises Surren aus dem Luftschacht der Tiefgarage. Ich kann es aber gerade nicht hören.

 

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