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Die Enttarnung einer Suggestion

Barbara Pflanzner zu Franz Riedls Architekturerweiterungen

Die Untersuchung und Neuordnung von Architektur in Relation zu den Grenzen und Begrenzungen im Raum sowie das Weiterdenken von Regelwerken, die den öffentlichen Raum bestimmen, sind grundlegende Aspekte in Franz Riedls Arbeiten. Für die vorliegende Ausgabe von Quart. Heft für Kultur Tirol hat Riedl eine Auswahl von Arbeiten aus seiner Serie Architekturerweiterungen (2012–) getroffen, die speziell einen Bezug zu Tirol aufweisen. Die Motive der Inkjetprints zeigen Banken, Finanzämter oder Versicherungen, etwa die RLB Landesbank und die BTV Mitterweg in Innsbruck oder das Finanzamt in Lienz. Es handelt sich also um Gebäude, die der Finanzwirtschaft dienen oder sich in ihrem Besitz befunden haben. Riedls Kunstgriff liegt darin, dass er die Proportion und die Rhythmik der jeweiligen Architektur, die sich zumeist durch die Anordnung der Fenster oder der Gebäudekanten ergibt, mit Tusche zeichnerisch fortführt. In der meist nüchternen Gestaltung der Finanzgebäude und der scheinbar unendlichen Repetition architektonischer Details ortet Riedl eine gewisse Systematik, „es sind Gebäude, die vermeintlich nicht enden“. Ihre Architektur scheint widerzuspiegeln, was den Kunden weisgemacht werden soll: das kontinuierliche, unaufhörliche Wachstum des Kapitals. Bei einigen Arbeiten formt Riedl die Kontur der Bauten in die Silhouette eines Berges um – ein ironischer Verweis auf steigende und fallende Aktienkurse; bei anderen führt er die Rhythmik der Bauten pragmatisch fort oder integriert absichtlich Irritationen. Indem die Zentralperspektive zugunsten mehrerer Fluchtpunkte aufgelöst, Sichtachsen in sich verdreht und die Logik der jeweiligen Architekturen durch Repetition dekonstruiert wird, spielt Franz Riedl geschickt mit unserer konventionellen Bildwahrnehmung. Gleichzeitig macht er deutlich, wie sehr Architektur mitunter den sie umgebenden Raum beherrscht, und enttarnt vor allem die Suggestion eines permanenten kapitalistischen Wachstums als oberste finanzmarktwirtschaftliche Zielsetzung.

 

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