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Zeichen zeigen

Andreas Fogarasi hat den Umschlag dieser Ausgabe gestaltet und zeigt auf den folgenden Seiten das exklusiv für Quart enstandene Insert „Circles + Squares“. Dazu ein einleitender Text von Fiona Liewehr.

„Wer sagt was in welchem Kanal zu wem mit welchem Effekt?“ – so lautet die 1948 vom US-amerikanischen Politik- und Kommunikationswissenschaftler Harold D. Lasswell verfasste und nach ihm benannte Lasswell-Formel. Damit begründete er das Modell der modernen Massenkommunikation und brach das komplexe Beziehungsgeflecht von Kommunikationsforschung, Medienanalyse, -forschung und -nutzung auf einen einprägsamen Satz herunter. Er erfand damit zugleich den Slogan des für den Aufbau und die Imagebildung einer Marke so zentralen Bestandteils: den der Markenkommunikation. Gleichzeitig führte er damit vor, dass ein Slogan prägnant und memorierbar sein muss, um erfolgreich zu sein – wer (Privatperson, Unternehmer oder Staat) sagt was (zentrale Werbebotschaft) in welchem Kanal (Medien) zu wem (Zielgruppe) mit welchem Effekt (Werbewirkung).

Längst gelten Markenkommunikationsstrategien nicht mehr für Produkte allein. Mit der Durchökonomisierung aller Lebensbereiche kam es spätestens seit den Dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zum forcierten Einsatz der Marke als kommunikative Taktik für private und öffentliche Institutionen. Themen wie Produktgestaltung, Verpackungsdesign, Markenname, Logo, Slogan, Werbebotschaft oder Imagewelt, die schon bei der Vermarktung von Produkten notwendig waren, um sich von der Konkurrenz zu unterscheiden und beim Konsumenten erfolgreich zu sein, wurden auf Unternehmen übertragen. Nun wurden auch die Architektur von Unternehmenssitzen und Fabrikgebäuden, Geschäftsausstattungen, die Kleidung von Mitarbeitern oder das Produktdesign einem von einer ökonomischen Verwertungslogik getragenen, einheitlichen Erscheinungsbild unterworfen.1 Seit Mitte des vorigen Jahrhunderts war es vor allem die erstarkte Freizeit- und Tourismusbranche, die ganze Landstriche nach dem Vorbild von Marken zu positionieren begann und ihnen ein unverwechselbares Image zu verpassen suchte, das dem Kunden Orientierung und Identifikation anbieten sollte. Spätestens seit Ende der Achtziger Jahre hat das neoliberalistische Wirtschaftsdenken das Selbstverständnis von ganzen Staaten, Regionen und Städten zunehmend ökonomischen Diskursen und Praktiken unterworfen. Die fieberhafte Suche nach unverwechselbaren Identitäten hat auch zu einem neuen Stellenwert des Kreativen in der Gesellschaft geführt und die Kultur zunehmend als Marketingtool für einen innovativen und positiven Imagetransfer erkannt. In dem Maße, in dem man begann, öffentliche Institutionen und Verwaltungen unternehmerisch zu denken, veränderten sich auch ihre visuellen Repräsentationen. Logos, Slogans oder Corporate Designs ersetzten immer öfter traditionelle Insignien wie Wappen oder Flagge. Die umfassende Digitalisierung verstärkte noch die massiven Visualisierungs- und Vervielfältigungstendenzen im Kommunikationsprozess, der sich vorwiegend auf eine nach ökonomischen Parametern gerichtete Optimierungsstrategie und mediale Verwertbarkeit ausrichtete.
Den österreichischen Künstler Andreas Fogarasi (*1977 in Wien) interessieren jene Kommunikationsstrategien, mit denen sich ein Privatunternehmen, eine öffentliche Institution, eine Region, eine Stadt oder ein ganzes Land zu repräsentieren und ökonomisch zu vermarkten versucht, er zeigt auf, wie Imagebildung funktioniert und welcher visuellen Codes und Slogans man sich dabei bedient. In seinen Videos, Skulpturen, Modellen und Fotografien setzt er sich mit visuellen Entitäten und Identitäten auseinander, mit der Übersetzung und Kontextualisierung von Zeichen, dem Akt des Zeigens und der Repräsentation von Bildern an sich. Dabei bedient er sich Darstellungsformen, die dem Minimalismus und der Konzeptkunst entspringen und sich an der Schnittstelle zu dokumentarischen und bildhauerischen Praxen bewegen. Fogarasi analysiert, wie Orte, Städte, politische Ideen oder historische Ereignisse zu Bildern werden und welche Rolle vor allem die Kultur – Kunst, Architektur und Design – im Prozess der Bedeutungs- und Werteanreicherung spielt. Grundlage seiner Arbeiten bildet die kritische Auseinandersetzung mit den Mechanismen politischer Aneignung von visueller Kultur heute: dem Prozess der Ästhetisierung des öffentlichen Raumes und der Kulturalisierung der Ökonomie, die Kultur sowohl als Motor von Stadtentwicklung und als Standortfaktor im Wettbewerb um Touristen, Investoren und Aufmerksamkeit sieht als auch als Leitbild ihrer ökonomischen Diskurse und Praktiken.

In seinem seit 2003 laufenden Project Public Brands wirft Andreas Fogarasi einen sezierenden Blick auf Logos, Signets und Slogans von Regionen und Städten, die sich, von strategisch-ökonomischen Überlegungen getragen, durch die Betonung von Alleinstellungsmerkmalen voneinander abzugrenzen suchen. Für seine Videos Deutsche Städte (2005), La France (2009) und Europa (2016) hat er Logos deutscher Städte, französischer Regionen und schließlich die offiziellen Tourismuslogos aller Länder Europas recherchiert und lässt sie – auf gleiche Formatierung und auf schwarz / weiß homogenisiert – in alphabetischer Reihenfolge hintereinander ablaufen. Durch diesen minimalen Eingriff verweist er nicht nur darauf, wie ausdifferenziert die unterschiedlichen Identitäten der Länder Europas kommuniziert werden, indem Architektur, historische Baudenkmäler oder markante landschaftliche Bezugspunkte grafisch reduziert für die Selbststilisierung instrumentalisiert werden. Die Fülle der Logos führt auch vor Augen, wie sich in den letzten Jahrzehnten das aus einem Differenzierungszwang heraus entstandene Konzept des Brandings durch die überhandnehmende Werbeflut eigentlich selbst ad absurdum geführt hat. Die Erschaffung des Images von privaten wie öffentlichen Unternehmen, Städten und Ländern ging auf Kosten der Komplexität seines Gegenstandes und ließ chimärenhafte Schablonen zurück, die weder dazu geeignet sind, Vielschichtigkeit oder Widersprüchlichkeit zu transportieren, noch den Absender eindeutig identifizierbar zu machen.

Jedes visuelle Zeichen bleibt selbst eine abstrakte Hülle, solange es nicht mit einer Bedeutung, mit dem was, der zentralen Werbebotschaft, konnotiert ist, die sich identitätsstiftend auf die Bürger auswirken soll und durch Hervorkehrung eines vorteilhaften Alleinstellungsmerkmals überregionale Konkurrenzfähigkeit verspricht.
Im weltweiten Wettstreit der Städte wird nach dem charakteristischen Attribut gesucht, das die Einzigartigkeit mittels Komplexitätsreduktion auf eine Aussage kondensieren soll. In seiner Serie Städte hat Andreas Fogarasi 2006 begonnen, sich geradezu enzyklopädisch mit Werbeslogans auseinanderzusetzen, die er in der immer gleichen Typografie in Bleistift auf kleinformatige Papiere zeichnet. Schielestadt, Weinstadt, Wasserstadt, Stahlstadt, Musikstadt, The City of Lights, The City of the 21st Century – fast keine topografische Besonderheit, historische Begebenheit oder Person, technologische, industrielle oder kulturelle Entwicklungsleistung bleibt vor der gefinkelten Marketingrhetorik der Texter verschont, um auch aus kleinen strukturschwachen Mittelstädten touristische Landmarks zu machen.

Dabei kann sich die Positionierung von Staaten, Regionen oder Städten je nach politischen, ökonomischen oder ökologischen Situationen ändern, sofern im Sinne der Fremdwahrnehmung, aber auch im Kampf um die Gunst von Inverstoren und der einheimischen Bevölkerung ein positives, produktives und mehrheitstaugliches Identifikationsangebot zu erreichen ist.
In seinem aus einem Video, Skulpturen und objekthaften Bildern bestehenden Projekt Vasarely go Home (2011)2 setzt sich Andreas Fogarasi kritisch mit der kulturpolitischen Haltung Ungarns auseinander. In einer Zeit der allmählichen politischen Konsolidierung suchten die offiziellen Stellen den Kontakt zu im Ausland lebenden Künstlern und richteten dem gebürtigen Ungarn Victor Vasarely 1969 seine bis dahin umfangreichste Ausstellung in der Budapester Kunsthalle aus. Eine durchaus als differenziert zu beurteilende Entscheidung: Denn während die abstrakten Tendenzen der ungarischen Neo-Avantgarde im Land selbst wenig Beachtung und Anerkennung fanden, wurde die Ausstellung des Künstlers, der international längst als einer der wichtigsten Vertreter der kinetischen Kunst galt, als gesellschaftliches Ereignis zelebriert. Um sich transnational als betont tolerant und aufgeschlossen gegenüber abstrakter Kunst zu stilisieren, wurde Vasarely als internationaler Kulturimport gefeiert und zugleich unter Betonung seiner ungarischen Herkunft als Kulturexport instrumentalisiert.

Inwiefern Kultur als diplomatisches Mittel eingesetzt wird, untersucht Andreas Fogarasi auch in dem für diese Ausgabe von Quart entwickelten Insert Circles + Squares. Er recherchierte die Logos von internationalen Kulturinstituten, die in verschiedenen Städten der Welt wissenschaftlich ausgerichtete Außenstellen ihrer jeweiligen Nationen betreiben, um in den Gastgeberländern den diplomatischen Austausch über gegenseitigen Kulturtransfer zu suchen. Indem Fogarasi sie mittig auf leicht durchscheinendes Papier setzt und von allen Texten befreit, macht er deutlich, dass sich alle Kulturforen trotz unterschiedlicher inhaltlicher Ausrichtung, finanzieller Ausstattung und kulturpolitischer Aktivität einer ähnlichen visuellen Repräsentationslogik bedienen. Das deutsche Goethe-Institut mit seiner Kombination aus Dreiviertelkreis und Kreis, das British Council mit in einem Quadrat angeordneten vier Kreisen, die Schweizer Pro Helvetia Stiftung mit dem aus einem abgerundeten Quadrat ausgestanzten Schweizerkreuz – alle Logos folgen einer universalen Sprache, die auf geometrischen Grundformen basiert: Kreise und Quadrate. Formal betrachtet lassen sie sich mit dem visuellen Alphabet Vasarelys ebenso vergleichen wie mit den „Hommage to the Square“-Untersuchungen von Joseph Albers, den konstruktivistischen Werken Malewitschs, den abstrakt-konkreten Vorstellungen Max Bills, mit dem nach Funktionalismus und Sachlichkeit strebenden deutschen Bauhaus oder mit den „primary structures“ der Minimalisten. Trotz aller kunsthistorischer Referenzpunkte zu modernistischen Strömungen bauen sich die Logos jedoch nach den wichtigsten Gestaltungsprinzipien grafischer Zeichen auf: nach Prägnanz, Einprägsamkeit, Unverwechselbarkeit, Verständlichkeit und Reproduzierbarkeit. Assoziationen zu nationalstaatlichen Besonderheiten, wie die vier Kreise des British Council als Referenz zu den vier Ländern des Vereinigten Königreiches, zur traditionellen Heraldik, wie das Schweizerkreuz im Signet von Pro Helvetia, oder das stilisierte Känguru im Logo des Australian Council for the Arts, sind markenkommunikationstechnisch erwünschte, vertrauenssichernde Effekte. Andreas Fogarasi interessiert, wie sich Nationen in einem internationalen Diskurs positionieren, wie sie kontinuierlich neue Formen und Repräsentationen in der Relation untereinander suchen und wie diese visuell durch Schaffung einer Corporate Identity transportiert werden. Dabei bleibt diese ebenso fraktal, verschieb- und veränderbar und von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Parametern beeinflusst, wie der Aufbau von kulturellen Identitäten und unsere Vorstellungsbildung davon.


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1  Es ist in dem Zusammenhang nicht verwunderlich, dass es ein in vielen Bereichen ausgebildeter Mann war, der als Erfinder des sogenannten Corporate Designs gilt: Der deutsche Architekt, Maler, Designer und Typograf Peter Behrens war nicht nur ein führender Vertreter des modernen Industriedesigns, sondern hat zwischen 1907 und 1914 als künstlerischer Berater der Firma AEG erstmals ein einheitliches Erscheinungsbild eines Unternehmens eingeführt, indem er ganze Produktgruppen, das in leichter Abwandlung bis heute verwendete Logo, die Geschäftsausstattung und die Architektur der Fabriksbauten in einem einheitlichen Sinn gestaltete.

2    Online zu sehen unter: http://vasarelygohome.gfzk.de

 

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