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Richard Hoeck
Originalbeilage Nr. 2

Herausnehmen, auseinanderfalten, aufhängen, nachdenken. So lautet die von der Redaktion empfohlene Reihenfolge. Andere Möglichkeit: Nachdenken, wie man die Beilage herausnimmt, ob man sie aufhängt und wenn ja welche Seite. Das praktische Wendeposter ist jedenfalls die aktuelle Arbeit aus Richard Hoecks Aktion „Taliban Talent Contest“ (kurz: TTC). Anmerkungen von Karin Pernegger (re. Seite) – mit Fußnoten von Peter Gorschlüter (li. Seite)

Die Katastrophe ist zur Kategorie geworden, geordnet in Tagesnachrichten, ganz ungeschminkt ohne Verheißung und Voraussagung. Die Panikkultur1 empfiehlt sich in ihrer expertenhaften Einstellung zur Katastrophe. Aber: „Eine panische Kultur würde man sofort an ihrem Respekt vor Wasserhähnen erkennen; es könnte doch sein, daß man an einem dreht, und der Ozean kommt heraus,“ kommentiert Peter Sloterdijk I 1989 das Selbtverständnis der modernen Gesellschaft, das bis heute unverändert scheint.

Der „quasi“ durch die Medien bereitgestellte Besitz über Wissen, eine Katastrophe von der Ferne einschätzen und kommentieren zu können, suggeriert Sicherheit. Nein Überlegenheit. So wie uns die tägliche kleine Dosis Ozean aus unserem häuslichen Wasserhahn glücklich macht – der korrekte Name eines Selbstmordattentäters, seine Herkunft und der attestierte Grund für seine Entscheidung zu töten lässt uns aber lange nicht den Konflikt verstehen und die Situation beurteilen. Stattdessen wird das Fremde in auflistbaren Stereotypen geordnet, in ihren jeweiligen Kategorien bestätigt, um als Folgerung unser Verständnis von Gerechtigkeit zu gewährleisten. Die daraus entstehenden Fremdbilder sind nicht nur die Quellen von Rassismen und Xenophobien, sondern auch beweisführende Parameter unseres zunehmenden Versagens, die Komplexität der Zeichen und Codes unserer Welt zu lesen. Denn wir brauchen Wasser, es kommt aus der Leitung und wo viel Wasser ist, ist ein Ozean, der unsere Wolken speist und uns durch den Regen fruchtbaren Segen spendet, genauso selbstverständlich, wie unsere „Wahrheit“ durch die Wissenschaft abgearbeitet wird.

Richard Hoeck bedient sich dieser blind versagenden Begriffsfolge, so, als ob er selbst kurz an dem Wasserhahn drehen und die Dosis bestimmen würde, um die Traumata einer Panikkultur ins unendliche fortzupflanzen. Er sucht nicht identifizierbare Konterfeis zweier unterschiedlicher Männer arabischer Herkunft für seine Plakatserie aus, um die in der westlichen Welt inzwischen standardisierte Vorstellung von einem Al kaida-Kämpfer einer Prüfung zu unterziehen, die sich automatisch mit dem abrufbaren System der Medien in unseren Köpfen verselbstständigt: Wir können den jeweiligen Lebenslauf – vor Monaten schon veröffentlicht – eben doch zuordnen. Doch bis wir wissen, was wir auf den Plakaten sehen und der rot gezeichneten Linie durch die aneinander gereihten Abbildungen folgen können, verschwindet auch schon das gezeigte Einzelbild II. Denn es gibt gar keinen Ozean hinter dem Wasserhahn, nur einen Dichtungsring und den regulierenden Wasserdruck der Wasserwerke.

Foto Originalbeilage: Markus Bstieler

 

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