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So hoch in den Wolken

Gedichte des Tiroler Autors Hans Aschenwald erscheinen demnächst im Berliner Wagenbach-Verlag. Was Klaus Wagenbach über die Lieferungen aus Tirol sagt, hat die Lektorin Margit Knapp aufgezeichnet. Auszug aus einem Werkstattgespräch – plus: drei Gedichte im Vorabdruck.

(K.W. und M.K. sitzen im Lektoratszimmer des Verlags an einem weißen Tisch, der mit den schreibmaschinengeschriebenen Gedichtblättern von Hans Aschenwald übersät ist.)

M.K.: Links liegen die Gedichte mit unseren Korrekturen und rechts die überarbeiteten Fassungen, ganz rechts die zweimal überarbeiteten. In der ersten Reihe oben die mit Kreuzchen, die uns gefallen haben, in der zweiten Reihe die mit Wellenlinie, die uns nicht so angesprochen haben.

K.W.: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“, da hatte Karl Valentin Recht. Was aber nicht bedeutet, dass man, wenn man viel arbeitet, ein Künstler ist. (Wirft einen Blick auf die drei hohen Stapel der unverlangt eingesandten Lyrikmanuskripte hinter dem Schreibtisch). Wenn Michelangelo so ungeheure Mühen hatte, etwas aus Stein zu hauen, warum sollte es ein Lyriker leichter haben? (Nimmt ein Gedicht in die Hand). Das kenne ich noch nicht.

M.K.: Ist erst gestern gekommen. Mit der letzten Sendung.

K.W.: (liest) „Der Körper fällt weg // Weil der Geist nicht müde wird“. Das gefällt mir ganz gut, wenn der Titel mit dem Inhalt zusammenhängt. Auch das ist schön (liest) „Zeit // Überholt mich / Als ich gerade dabei bin ihren Schwung zu spüren“.

M.K.: Was machen wir mit den Epigrammen?

K.W.: Wir könnten eine ganze Abteilung mit Zweioder Dreizeilern machen, obwohl, das muss sich lohnen, da bräuchten wir etwa 20.

M.K.: Von der Textmenge her haben wir genug zur Auswahl, aber ich weiß nicht recht, ob das wirklich passt.

K.W.: Man muss es einfach ausprobieren. Geht es oder geht es nicht. (Versucht, die Zweizeiler mit Kreuzchen auf einem eigenen Stapel zu ordnen). So viele kleine Texte. In der längeren Form ist er sicherer – obwohl, manche dieser Zweizeiler sind sehr komisch … Wir könnten auch drei Epigramme auf einer Seite machen. Nur ein Zweizeiler pro Seite, das geht auf keinen Fall. Da würde zu viel lasten auf diesen armen zwei Zeilen. Sie wären zu hoch gehängt, im wahrsten Sinn des Wortes (blickt auf eine weiße Seite, wo ganz oben zwei Zeilen kleben und lacht). So hoch in den Wolken, das hält kein Gedicht aus. Das habe ich schon zu Erich Fried immer gesagt, der wurde dann richtig exzessiv, vollkommen enthemmt, konnte es gar nicht mehr aushalten, wenn das Papier frei war. „Da fehlt noch was. Ich schick dir dann noch ein Gedicht“, hat er bei jedem größeren Freiraum gesagt.

M.K.: Wir wollen ja Zwischentitel, und ich habe mir gedacht, wir könnten fünf oder sechs Gedichttitel nehmen und den verschiedenen Gruppen voranstellen. „Siebenschneidenweg“ zum Beispiel, oder „Atemguthaben“.

K.W.: „Atemguthaben“ ist ein wunderschönes Wort. Aber Gedichttitel als Zwischentitel geben dem jeweiligen Gedicht so viel Verantwortung. Jeder starrt dann auf das Gedicht, das den Titel für die Überschrift liefert, und denkt, das muss jetzt ganz toll sein. Eine Variante wäre besser, etwas, das nah dran ist, aber nicht genau das gleiche Wort … also hier (nimmt das erste Blatt von einem kleinen Stapel), statt „Im Hochwald“, nach dem Gedicht, könnte die Abteilung „Dieser Wald“ oder so ähnlich heißen. Oder das, statt „Menschenseiten“, wie das Gedicht, einfach „Dazumal“. „Dazumal“ kommt auch in mehreren Titelzeilen vor. „Atempausen“ – wie findest du das als Zwischentitel?

M.K.: Also ich weiß nicht. Ich glaube, für „Atemguthaben“ oder auch für „Siebenschneidenweg“ finden wir nichts Besseres, ich würde die zwei Titel gerne nehmen.

K.W.: Dann machen wir eine Mischung, Gedichttitel als Zwischentitel und zwei oder drei fiktive Zwischentitel.

M.K.: Zu den Themenkreisen Wald, Vater, Vorfahren, Heimat gibt es viel.

K.W.: (Nimmt das Gedicht „Wer lobt das Heimweh zwischen meinen Beinen“, überprüft die neue Fassung mit den Korrekturvorschlägen). Ist jetzt besser. Das „Dorf voller Vorfahren im Genick“, das ist wunderbar, da kann sich sofort jeder etwas vorstellen. Wenn man die Gedichte jetzt am Stück liest, merkt man, er hat die Tendenz zur Schlusszeile. Lebensregel am Schluss. Dabei ist es manchmal ganz schön, etwas offen zu lassen. (Nimmt das Gedicht „Aufgetragen“ in die Hand). Siehst du, das ist so ein Fall. Da gab es in der ersten Fassung eine Conclusio. Soll er nicht machen. Das ist jetzt offener, ohne letzte Zeile, besser.

(Ende offen)

 

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