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Vom Wesen der Verwandlung

Alexandra Kontriner zeigt in Quart auf den folgenden Seiten ihren Blick auf die Vergänglichkeit, dazu eine Einleitung von Thomas-Roman Eder.

In der Tiroler Heimat fing Alexandra Kontriner schon früh an, tote Insekten und verdorrte Pflanzen zu zeichnen, um ihre Beschaffenheit zu erforschen und Strukturen zu erkennen. Das Übersehene und das Verschwindende faszinierten sie. Übergang und Transformation wurden schließlich zu den Themen der Künstlerin. Ihre Modelle sind Fundstücke, Schenkungen oder Leihgaben. Detailtreue und handwerkliche Perfektion machen Brüche und Verletzungen sichtbar und markieren Momente des Zerfalls. Präparate aus der Vogelsammlung des Naturhistorischen Museums (NHM) überträgt sie vor Ort mit Bleistift und Aquarellfarben in Originalgröße auf Papier.
Ein zweites Ausdrucksmittel ist die Fotografie, die den puristischen Charakter ihrer Arbeitsweise unterstreicht. Weder der lückenlose Schein fotografischer Treue (Adorno), noch künstlerische Attitüde bestimmt das Motiv, sondern die Motivation der Darstellung selbst. Jedes Bild offenbart den Grund seiner Entstehung: das Festhalten eines Zufalls, die Dokumentation eines Naturphänomens, das Bewahren einer Erinnerung etc.

Für das vorliegende Projekt schuf Kontriner vier neue Zeichnungen, ergänzte sie durch drei Fotografien und einen Ausschnitt aus der Serie „Insektarium“. Die bewusste Gegenüberstellung von je zwei Bildern erzeugt Assoziationen, die aneinandergereiht das übergreifende Thema entwickeln. Es hat mit Zerstörung und Verschwinden zu tun, naturgemäß aber zugleich mit Herkunft und Verantwortung. Das Kunstwerk ästhetisiert die Vergänglichkeit, ohne den Verlust zu beklagen. Es bleibt gegenüber dem Schrecklichen, das es darstellt, gleichermaßen zweckfrei wie ohnmächtig, was seine Wirkung paradoxerweise erhöht.

Steinadler – Pasterze – Ringdrossel – Totengräber – Rosenkäfer – Insektarium – Totenkopfschwärmer – Nebelwald

Der Steinadler weist in der Struktur seines Gefieders Ähnlichkeiten mit der Oberfläche der gegenübergestellten Pasterze auf.
Pasterze: Österreichs größter Gletscher, Fotografie, Sommer 2006.
Die Ringdrossel wird durch die Reduzierung auf einen Flügel als verwesender Kadaver dargestellt.
Für das Bild „Totengräber“ stand ein ausgemustertes Präparat der naturwissenschaftlichen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen Modell.
Der Rosenkäfer (Fotografie) verendete neben einer zufälligen Gravur am Fensterbrett.
Insektarium: Endlos-Serie: jeweils nur eine Insektenart wird auf einem Din-A5-Blatt dargestellt.
Der Totenkopfschwärmer, ursprünglich im südlichsten Europa und Nordafrika beheimatet, weht in manchen Jahren nach Tirol und schafft, begünstigt durch den Klimawandel, einen Vermehrungszyklus. Die Raupe schlüpft im September, verpuppt sich und verendet im Herbst ohne weitere Nachkommen.
Nebelwald: Fotografie, Kristeinertal, Osttirol.

Das Steinadlerküken (Adler = Wappentier) schlüpft in den Tod.
Die Pasterze ist seit Beginn der Gletschermessungen um die Hälfte geschrumpft.
Der Rest einer verwesenden Ringdrossel ermöglicht dem Totengräber das Weiterleben.
Die mehrfach gleiche Darstellung des Aasfressers entwertet das Einzelwesen zum uniformen Muster.
Der leblose Rosenkäfer hingegen bleibt durch ein abstraktes Muster am Fundort einzigartig.
Insektarium: Verantwortung des Künstlers, Übersehenes zu sehen und sichtbar zu machen.
Der Totenkopfschwärmer wurde in der Literatur zum Symbol des (Ver-)Schweigens.
Hochwald im Nebel, Ursprungs- und Sehnsuchtsort, Erinnerungen, Tirol.

 

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