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Dies alles gab es also

Fast niemand weiß mehr, was in zurückliegenden Jahrzehnten in der Kunst los war – auch nicht (oder vor allem nicht?) in der sogenannten Provinz. Oft braucht es den Anstoß von außen, auf dass die Geschichten wieder erzählt werden, an die künstlerisches Schaffen der Gegenwart und Zukunft anknüpfen könnte. Hier also aus gutem Grund die erste kulturelle Inventur eines Zugereisten: Florian Waldvogel mit einer „Liebeserklärung an das wilde Innsbruck“.

Ich habe die letzten zehn Jahre in Hamburg gearbeitet, und als ich im Sommer 2019 als Leiter für die Modernen Sammlungen ans Ferdinandeum berufen wurde, wurde ich immer wieder gefragt, warum ich in die Provinz gehe? Ob London, New York oder Innsbruck – jede dieser Städte ist reich, reich an Kultur und Geschichte. Ich habe noch nie in einer Stadt gearbeitet, in der die Menschen so aufgeschlossen und hilfsbereit sind wie in Innsbruck.
Innsbruck ist ein lebendiger Organismus. Jede Stadt repräsentiert eine visuelle Herangehensweise über die Ergebnisse der von der Gesellschaft geschaffenen sozialen Phänomene. Jede und jeder ist an den Vorgängen im öffentlichen Raum beteiligt, und wenn wir annehmen, dass eine Kultur ein notwendiges Vehikel der Öffentlichkeit ist, dann kann den Citoyens ihre Mitwirkung an diesen sozialen Phänomenen und ihren historischen Bedingungen gerade durch die Kunst, die Musik, das Theater etc. über die unmittelbare Realität des Alltagslebens, welches die Menschen betrifft, bewusst gemacht werden.
Innsbruck muss sich kulturell nicht verstecken – unzählige hervorragende Künstlerinnen und Künstler stammen von hier, haben hier gearbeitet oder tun es immer noch. Die Ökonomisierung, die ohnehin weite Teile des gesellschaftlichen Lebens dominiert, hat aber auch in Innsbruck die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Kultur fest im Griff. Als zweimaliger Austragungsort der Olympischen Winterspiele dominieren in Innsbruck der Sport und die Funktionskleidung das öffentliche Bild. Dieser Fokus unter einem Dach aus Gold ist ein Nicht-Verstehen, weil bestimmte kulturelle Praktiken und Kontexte aus unserem Alltagsleben verschwunden sind. Die dafür stehenden Personen, Aktionen, Bilder, Erinnerungen können nicht mehr gelesen werden, weil die damit verbundenen Geschichten nur noch wenigen oder gar nicht mehr bekannt sind. Kulturelle Praxis bleibt eine Abstraktion, bis man eine Geschichte erzählen kann. Diese Geschichten sind nicht der Endpunkt, sondern Momente in einer Kette, die die unterschiedlichen Episoden einer Wegstrecke mehr oder weniger fest verbinden. Die nachfolgenden Zeilen sind meine Liebeserklärung an das wilde Innsbruck.

Kreuzigung in der Bergwelt
Beginnen möchte ich mit dem ersten kulturellen Konflikt der Nachkriegszeit in Tirol, dem Bilderstreit um die „Hungerburgfresken“ von Max Weiler. Anlässlich des 150-jährigen Jubiläums des Tiroler Herz-Jesu-Bundes, den die Landstände 1796 angesichts der Bedrohung durch die napoleonischen Truppen geschlossen hatten, wurde Max Weiler mit der Umsetzung des Herz-Jesu-Zyklus in der Theresienkirche auf der Hungerburg in Innsbruck beauftragt. In den Jahren 1946 und 1947 ausgeführt, lösten Weilers Fresken damals einen so großen Skandal aus, dass der Künstler gezwungen wurde, drei der insgesamt vier Wandbilder zu verhüllen, um einer vom Vatikan verordneten Entfernung zuvorzukommen. Dieser Konflikt mit den geistlichen und weltlichen Vertretern der Kirchengemeinde – sowie der von ihr mobilisierten Öffentlichkeit – entzündete sich am „Lanzenstich“. Max Weiler transportierte die Kreuzigungsszene in die Tiroler Bergwelt der Gegenwart mit bekannten Tiroler Bürgern, Bauern und Schützen in ihren traditionellen Trachten. Der tödliche Lanzenstich wird von einem jungen Bauern ausgeführt, während ein Tiroler Schützenhauptmann die Szene billigend aus nächster Nähe beobachtet und gelangweilte Bürger sich von der Hinrichtung abwenden. Das wollten weder der Klerus noch der Kirchenrat noch die Pfarrgemeinde hinnehmen. So viel Heimatfilm ging allen zu weit. Die Bauernzeitung veröffentlichte eine Protestnote und Weiler wurde schließlich von einem Landwirt wegen „Übertretung gegen die Sicherheit der Ehre des gesamten Tiroler Bauern- und Landarbeiterstandes“, wegen „Vergehen der religiösen und standesmäßigen Aufreizung“ und schließlich wegen „Verbrechen der Religionsstörung“ angezeigt und verklagt.
Im Oktober 1948 forderten zwei Vertreter des Bauernbundes den Bischof auf, Max Weiler zu beauftragen, den Bauern zu entfernen und durch einen römischen Soldaten zu ersetzen. Der Künstler weigerte sich, dieser Forderung nachzukommen.
Am 14. Juni 1950 verhängte Weiler als vereinbarte Kompromisslösung die beanstandeten Fresken. Seit 1959 ist der vollständige Zyklus wieder zu sehen. Die Affäre hat Max Weiler aber keinesfalls geschadet, bis zu seinem Tod im Jahre 2001 gestaltete er unzählige Wandmalereien, Mosaikarbeiten und Glasfenster für öffentliche Einrichtungen.

Sinn im Sinnlosen
Ein entscheidender Moment bei der Entnazifizierung, Resozialisierung und Kulturalisierung der Tiroler Bevölkerung nach dem geistigen Vakuum der Nationalsozialisten war das Institut français in Innsbruck. Die französisch-tirolerischen Beziehungen waren nicht erst seit dem Tiroler Volksaufstand etwas angespannt. Am 8. Juli 1946 wurde das Institut mit der Ausstellung „Chefs d’oeuvre du Museé d’art Moderne de Paris“ eröffnet. Neben dem Ziel einer geistigen Öffnung der Österreicher war die Aufgabe dieser Einrichtung ein umfangreiches kulturelles Programm in Form von Sprachunterricht, Konzerten, Lesungen, Theateraufführungen und Literaturabenden.
Eine Sensation war die durch das Institut français vermittelte Ausstellung „École de Paris“ im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum im Januar 1960. Gezeigt wurden 62 Originalarbeiten von Pablo Picasso, Marc Chagall, Fernand Léger, Joan Miró, Max Ernst und anderen in den sechs Sälen des Neubaus. Nie war in einer so konzentrierten Dichte die Entwicklung der Malerei im 20. Jahrhundert von der frühen Abstraktion bis zur ungegenständlich-automatischen Malerei über konstruktivistische Tendenzen hin zur jüngsten Entwicklung in Tirol zu sehen. Durch die Aufteilung in sechs Räumen konnte die westliche Malereigeschichte in Entwicklungs- und Stilstufen erzählt werden und die Einzelwerke hatten genügend Platz, ihre Wirkung zu entfalten.
Wie jede Institution, hängt ihre Qualität von jener Person ab, die ihr vorangeht. Ich möchte Pierre Würms hervorheben, der von 1961 bis 1965 das Institut français leitete. Sein Abschiedsgeschenk für Innsbruck war die Matinee „Französische Lyrik von Baudelaire bis zur Gegenwart“ in den Kammerspielen. Für Würms war die kulturelle Praxis an die Gegenwart gebunden und somit Künderin einer neuen Welt. Für ihn ist die Kunst wie die Wissenschaft ein Weg zur Erforschung des Seins. Sie ist immer Ausdruck des Absoluten, das den Menschen zu entgleiten droht. Selbst in der Verklärung des Sinnlosen will sie noch Sinn hineintragen. Künstlerische Praxis ist eine Form des Seins, eine Art, die Dinge zu betrachten. Jeglicher künstlerische Ausdruck spiegelt den Kampfplatz im Menschen. Da die künstlerische Wirklichkeit eine andere ist als die, die wir vor Augen haben, verlieren auch deren logische Gesetze ihre Gültigkeit. Die künstlerische Praxis kennt keine Kontrolle durch die Vernunft. Und das ist bis heute so. Merci, Monsieur Würms.

Hingabe zum Dargestellten
Kaum in Innsbruck angekommen, verliebte ich mich in die Arbeiten von Gerhild Diesner. Ihre Porträts, Stillleben und Landschaftsdarstellungen sind auf ihre Grundformen reduziert, kein nebensächliches Beiwerk stört Diesners Entschiedenheit, ihre künstlerische Intensität, die nur die Deutlichkeit des Daseins verklären würde. In ihren Arbeiten gibt es keine Schatten, keine Andeutung, die etwas zukünftig Böses vermuten lässt. Als die meisten Zeitgenossen abstrakt malten, blieb Diesner gegenständlich, eine Anomalie, die mit weiblicher Naivität abschätzig kritisiert wurde. Ich denke, sie war erfüllt von großer Lebensfreude, von Schönheit, einer Stimmung, welche allen unruhigen und streitbaren Menschen eigen ist. Fragmentarisch und ausschnitthaft hält die Künstlerin die Welt und die scheinbaren Nichtigkeiten des Alltags fest und erweist sich auf jeder noch so kleinen Leinwand als große Erzählerin. Diesners Arbeiten jubeln dem Betrachter zu. Sie glänzen mit ihrem Optimismus und ihrer humanistischen Auffassung. Sie schafft es, mit ihren drei Lieblingsfarben Orange, Blau und Gelb das Dargestellte zur Kunst zu verdichten. Es ist ein Irrglaube der Kunstbetrachtung, dass das Leiden, das Hässliche, der Tod, das, was Diesners Werken so fremd ist, immer noch für die substanziellere Kunst gehalten wird. Im Werk von Gerhild Diesner dreht sich alles um die Begeisterung: um das intensive Hinsehen, um das leidenschaftliche Erzählen, um die Hingabe zum Dargestellten und die Neugier für das Leben selbst. Ihre Arbeiten sind wie gute Freunde, unbeschwerte Gesellen, die einem das Gefühl vermitteln, was es heißt, in der Welt zu sein, sie wahrzunehmen und sie zu lieben. Ihre Arbeiten atmen „angehaltenes Leben“ und erweitern unseren Blick auf ein größeres Bild von dieser Welt. Zu schade, dass ich diese fantastische Künstlerin nicht mehr kennenlernen durfte.

Jenseits des Gewöhnlichen
Streift man aufmerksam durchs Tiroler Landesmuseum
Ferdinandeum, kann man zwei Verwirrung stiftende Arbeiten eines Künstlers namens August Pezzey entdecken. Bei Betrachtung des Labels stellt man fest, dass jener nur 29 Jahre alt wurde, und im Gegensatz zu den meisten Künstlern auf derselben Wand, die künstlerisch noch im 19. Jahrhundert weilten, lieferte Pezzey großartige Vorlagen für eine Monty-Python-Rezeption. Es scheint, als würde der Künstler zu den Mächten des Unbewussten und des Es in einem freieren und kunstreiferen Verhältnis stehen, als es den meisten von uns vergönnt ist, dem in neurotischer Angst und dazugehörigem Hass sich mühenden Menschentum, um Thomas Mann zu paraphrasieren. Pezzey hat eine Disposition des Sehens und Übertragens, die jenseits des Gewöhnlichen liegt und die wir nicht sehen und benennen können. Es geht um die Schwächen und den Übermut der Menschen, um Unzulänglichkeit und gelähmtes Dasein, aber oft auch um kleine Momente der Bewegung und des Glücks. Melancholie und Sehnsucht bestimmen vieler seine Bilder, die er aber durch seinen Humor zu brechen weiß. Und genau das ist die Aufgabe eines Malers. Pezzey war übrigens das einzige Opfer bei den Innsbrucker Unruhen 1904 zwischen deutschen und italienischen Studenten. Er wurde hinterrücks mit dem aufgepflanzten Bajonett des Kaiserjägers Luigi Menotti erstochen. Am 6. November wurde der Künstler auf dem Westfriedhof beigesetzt. Er erhielt ein Ehrengrab der Stadt Innsbruck und unter den 30.000 Trauergästen, die August Pezzey die letzte Ehre erwiesen, war auch sein Hund namens Satan.

Tiroler-Sein als Delikt
1989 bezeichnete Gustav Peichl anlässlich der Überreichung des Tiroler Landespreises für Kunst an Josef Lackner den Preisträger als den „Architekturstützpunkt in Tirol“. Lackner war ein begnadeter Baukünstler, der mit dem Gymnasium Ursulinenschule Innsbruck ein architektonisches Denkmal schenkte; berühmt auch sein Grottenbad für den Zeichner Paul Flora auf der Hungerburg, welches vom neuen Besitzer mittlerweile zerstört wurde, ohne dass sich öffentlicher Protest regte, wenn man von einem Foto im Schaufenster des aut. architektur und tirol absieht. Mein Lieblingsprojekt von Lackner ist sein Vorschlag, die Innsbrucker Altstadt in Bronze zu gießen oder zerfallen zu lassen, da „wir ohnehin nur ein rein ästhetisches Verhältnis zu diesem Teil der Stadt haben“. Er begründet seine Empfehlung damit, dass wir diesen Lebensraum nicht nach unseren Bedürfnissen adaptieren können, sondern ihn wie einen Grabstein verehren. Diese ausschließlich ästhetische Beziehung zu einem Quartier hat keine Lebensqualität, sondern ist ein Denkmal-Dilemma. „Josef Lackner ist Tiroler. Tiroler zu sein ist allein schon ein Delikt“, so Peichl weiter in der eingangs erwähnten Laudatio. Ein Denker nach meinem Geschmack.

Oase der Unangepasstheit
Erinnern möchte ich auch an eine Kulturinitiative, die von 1985 bis 2000 das Zentrum für alternative Kultur in Innsbruck war: das Utopia. Legendär ihr Berg-Isel-Festival an Pfingsten 1987. Ihr wohl orchestriertes Line-up um Miles Davis, Udo Lindenberg, Ina Deter, John McLaughlin & Paco de Lucia, Lucio Dalla, Tintenfisch u. v. a. sollte alle Besucherrekorde für eine Musikveranstaltung in Innsbruck pulverisieren. Man rechnete für das dreitägige Festival mit 20.000 Besuchern pro Tag. Es kam, wie es kommen musste. Das Festival fiel buchstäblich ins Wasser, Regen und Kälte, Absagen, schlechte Presse und kaum Besucher stürzten die Veranstalter fast in den finanziellen Ruin. Sie machten trotzdem weiter! Mit Konzerten von Musikern, die damals noch unbekannt waren und später zu Weltstars wurden wie zum Beispiel Adam Green. Oder mit legendären Konzerten von The Cure, Pete Doherty, Mother’s Finest beim „Innsbrucker Sommer“ auf dem Fenner-Areal, um nur einige zu nennen. Das kulturelle Angebot reichte von der ersten Gaydisco bis zu Projekten wie die „Kunststraße“ und weiteren Veranstaltungsreihen. Es ist ein Jammer, dass diese Oase der Unangepasstheit nicht mehr existiert.

Gefälschte Meister
Lange vor Wolfgang Beltracchi hatte Innsbruck einen Kunstfälscher-Skandal. Mittendrin statt nur dabei, jenes Museum, an dem ich arbeiten darf, das Ferdinandeum. Im Juni 1997 beschlagnahmte die Polizei rund 260 Kunstwerke bei einem Innsbrucker Ehepaar. Bilder unbekannter Maler wurden mit gefälschten Signaturen von Kokoschka, Matisse, Picasso, Degas, Cézanne, Egger-Lienz nobilitiert und als Fälschung verkauft. Auch das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum hatte 1996 vom „Sammlerehepaar“ Mudrovcic einen vermeintlichen Theodor von Hörmann für 300.000 Schilling gekauft. Da sich die „Hörmann-Expertin“ Magdalena Hörmann in einer tendenziösen Rede für die Echtheit des vermeintlichen Hörmann-Frühwerks „Kanal in Samois“ verbürgt hatte, kam der Ankauf zustande, trotz massiver Vorbehalte einiger Mitglieder des musealen Kunstausschusses. Erst der Besuch des Kunstsammlers Rudolf Leopold im Ferdinandeum und dessen Zweifel an der Echtheit der Arbeit veranlassten Museumsdirektor Gert Ammann, eine Untersuchung des Bildes beim Schweizer Institut für Kunstwissenschaft in Zürich in Auftrag zu geben. Die technologische Untersuchung ergab, dass es sich bei der eingelieferten Arbeit um eine Fälschung handelt. Die Farbe, mit der das Bild signiert und datiert wurde, wurde erst nach dem Ersten Weltkrieg entwickelt, das Bild ist aber mit 1889 datiert. Die Infrarotreflektografie ergab außerdem, dass sich unter der Übermalung die ursprüngliche Signatur „A. Jacob“ befindet. Das Museum legte rechtliche Schritte gegen die Verkäufer ein, das Bild wurde restituiert, der Kaufpreis gestundet zurückbezahlt. Zu den Opfern des Ehepaars zählten auch die Kärntner Landesgalerie und der Alpenverein.

Große Kunst im Dorf
In meiner Aufzählung darf natürlich ein Tiroler Bergdorf nicht fehlen: Alpbach. Diese Hauptstadt der Geranien-bestückten Blumenkästen avancierte 1948 zum Zentrum der geistigen und wissenschaftlichen Begegnungen im Rahmen des Österreichischen Forums. Jede der alljährlichen Hochschulwochen wurde von einer Kunstausstellung begleitet, die retrospektiv einzigartig sind und das Bergdorf in den Fokus der internationalen Kunstrezeption katapultierten. Alpbach schrieb mit seinem Internationalen Kunstforum ein Kapitel Kunstgeschichte der Gegenwart.
Eröffnet wurde das Forum 1948 mit einer Ausstellung von Fritz Wotruba. Im folgenden Jahr bildete die „Brücke“-Ausstellung mit Arbeiten von Ernst Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Otto Müller, Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff den Übergang in die Internationalität. 1950 stand eine Gegenüberstellung von österreichischen und französischen Positionen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg im Mittelpunkt. Mit dabei waren Oskar Kokoschka, Pablo Picasso, George Braque, Fernand Léger, Henri Matisse. Die Ausstellung im Jahre 1954 entwickelte sich zu einer Weltausstellung des Phantastischen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. In den folgenden Jahren gab es immer wieder Ausstellungen mit einem nationalen Schwerpunkt. So wurden junge und zeitgenössische Positionen aus Frankreich (1955), Deutschland (1956), Österreich (1957), Polen (1958), den Niederlanden (1959), England (1960) gezeigt. Die Leistung des Forum Alpbach kann nicht hoch genug bewertet werden, vor allem, wenn man sich vor Augen führt, dass es bis Ende der 1950er Jahre kein österreichisches Museum gab, welches seine Aufmerksamkeit einer zeitgenössischen künstlerischen Praxis widmete, geschweige denn eine Kunstzeitschrift selbigen Formats.

Außerdem gab es in Innsbruck die Galerie Krinzinger, bevor sie nach Wien zog, und gibt es die Galerien Elisabeth und Klaus Thoman, Johann Widauer sowie Bernd Kugler, die als internationale Impulsgeber ganz Tirol mit geistiger Nahrung versorgen. Herbert Fuchs initiierte 1990 und 1995 das Symposium „3 Tage Umhausen“, eine Begegnung zwischen zeitgenössischer Kunst und experimenteller Literatur. Viele der dort Präsentierten – wie Wolfgang Bauer, Cosima von Bonin, Rüdiger Carl, Peter Fischli / David Weiss, Georg Herold, Martin Kippenberger, Otto Kobalek, Peter Kogler, Michael Krebber, Thomas H. Macho, Helmut Middendorf, Oswald Oberhuber, Richard Prince, Tobias Rehberger, Tim Rollins & K. O. S., Andreas Schulze, Rosemarie Trockel, Franz West, Heimo Zobernig – sind Kunstgeschichte und Teil des internationalen Diskurses. Ich muss Stefan Bidner und seine Zeit als Leiter des Kunstraum Innsbruck erwähnen. Nicht zu vergessen Thomas Feuerstein und den Verein medien.kunst.tirol., der erfolgreich von Max Thoman weitergeführt wird. Ich sollte ausführlich über Oswald Oberhuber und Peter Weiermair und ihre kontroversen Ausstellungen im Taxis-Palais berichten. Nicht zu vergessen die Exzesse im KOMM, Bierstindl, Bogen 13, Hafen, MK, Z6 und Prometheus. Das Schwazer Avantgarde-Forum Studio 12 und sein Beat-Abend mit Allen Ginsberg müsste eingehender beschrieben werden und ebenso das ./studio3 der Architekturfakultät, gegründet von Volker Giencke, das bis heute situationistisch im öffentlichen Raum agiert. Die Neujahrsproklamation der Galerie Junge Generation aus Innsbruck ist jederzeit eine Veröffentlichung wert. Die Galerie in der Schule Vomperbach hat eine ausführliche Einordnung verdient, die Jugendkulturwochen ohnehin und die Transformation des Flüchtlingszentrums zum Zentrum 107 in St. Nikolaus sowieso. Darüber hinaus gab es noch den Sängerkrieg DADA im Schloss Starkenberg bei Tarrenz. Max Ernst und seine Frau Luise Straus-Ernst, Tristan Tzara mit seiner Freundin Maya Chrusecz, André Breton sowie Hans Jean Arp verbrachten die Sommermonate in Tirol und produzierten die achte und letzte Ausgabe der DADA-Zeitung.
Dies alles gab es also – und noch viel mehr.

 

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