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Dinge, die angemessen sind

Im Bregenzerwald und darüber hinaus (in einer ausgesprochen ländlichen Region also) gibt es moderne Architektur, die international Beachtung findet. Die Bauten weisen oft eine große Affinität für das Handwerk auf. Nach Bregenzerwälder Art gilt für Architektur wie für Handwerk: Die Hand macht, was der Kopf denkt und das Herz fühlt. Einer der herausragenden Vertreter dieses Architekturdenkens ist der 1974 geborene Bernardo Bader. Verena Konrad hat ihn getroffen und Gesprächsnotizen verfertigt.

Wenn man sich mit der Beziehung der Themen Architektur, Handwerk und Ökologie beschäftigt, kommt man schnell in den Bereich des Dogmatischen. So wichtig ist diese Verzahnung, so hoch der Erwartungsdruck, so dringlich die Aufgabe, so groß die Hoffnung. Wie viel Platz bleibt da noch, um Architektur zu machen, die sich nicht der gängigen Klischees bedient, sich nicht ständig selbst wiederholt, die freudvoll und spannend ist, individuelle Lösungen für das Kollektive wie Persönliche findet, als kultureller Ausdruck unserer Zeit und einer spezifischen Aufgabe. Architektur ist etwas Wunderbares. Besonders dann, wenn sie von Herz gefühlt, von Kopf gedacht und Hand gemacht ist.
„Die entscheidende Frage am Beginn eines jeden Entwurfes ist, inwiefern wir es schaffen, offen und unvoreingenommen an eine Aufgabe heranzugehen“, sagt dazu Bernardo Bader. In dieser Phase werden vorgefertigte Bilder über Bord geworfen, plakative Statements verlieren ihren Reiz. „Das Team versucht dann, nah an der Aufgabe zu sein, den Kontext der Aufgabe zu erschließen, sich auf Menschen und Ort einzulassen.“ Das braucht Zeit und viele Gespräche. „Interessant wird es dann, wenn es noch keine Vorstellung und kein Bild gibt, dem zu folgen wäre, oder die bestehenden Bilder nicht mehr tauglich sind. Wir machen uns dann frei von fremden Leitbildern und fertigen Konzepten und widmen uns ganz der Aufgabe.“
Meist geht es dabei um ein Finden, kein Erfinden. „Wir lassen uns mit allen Sinnen auf den Ort ein und hören zu. Diese Kombination ist die Grundlage für das Begreifen eines Ortes und das ist ein nicht enden wollender Prozess. Wir greifen auf, was schon da ist, und fügen dem etwas möglichst Stimmiges hinzu. Etwas, das wir herausgehört haben, das diesen Kontext ergänzt.“ Die Reflexion vorhandener Typologien verdichtet sich in einem neuen Entwurf, der möglichst eigenständig ist und dennoch Bezug nimmt auf den Alltag der Menschen an einem bestimmten Ort und der Geschichte und Gegenwart zusammenbringt.

Trotz des Aufgreifens von Tradition und trotz des Gedankens, die Stadt und das Dorf weiterzubauen, gelingt es Bernardo Bader doch immer wieder auch, zu überraschen und Stereotype beiseitezulassen, auch solche, die seinem Büro mittlerweile selbst angedichtet werden. So jüngst auch geschehen bei seinem Atelierhaus in Bregenz. Das Gebäude in der Klostergasse beherbergt neben dem Büro Bernardo Bader Architekten auch drei Wohnungen und ist ein Stadtbaustein, eingefügt in ein urbanes Szenario unweit des Bregenzer Bahnhofes, umgeben von mehrstöckigen Gebäuden, alle datiert im zweiten Drittel des letzten Jahrhunderts.
Kommen wir gleich zum Punkt: Das Gebäude ist aus Beton gefertigt und dabei ein Werk von Bernardo Bader Architekten. Auf das Klischee des Holzbaus als per se nachhaltige Art zu bauen reagiert Bernardo Bader überraschend offen. „Es kann in anderen Baustoffen ebenso nachhaltig gebaut werden.“ Und weiter: „Der wichtigste Aspekt in punkto Nachhaltigkeit ist die Nutzungsflexibilität. Auch dieses Haus ist ein nutzungsflexibler Bau. Es kann hier gewohnt und gearbeitet werden. Es sind alle Geschoße gleich hoch, die Installationen sind überall verfügbar.“ Auch die Robustheit eines Bauwerkes ist essenziell. Und seine Schönheit. „Ich bin überzeugt, wenn ein Gebäude schön ist, dann ist es auch erhaltungswürdig und damit auch nachhaltig. Es gibt viele Gebäude, die werden von der nächsten Generation als ‚nicht schön‘ betrachtet und deshalb nicht erhalten und irgendwann abgebrochen. Darum bin ich in dieser Frage entspannt. Ja, wir haben hier ein bisschen mehr betoniert als sonst. Wir sind hier in der Stadt, in einem urbanen, dicht verbauten Umfeld, direkt an der Straße und haben ein schönes, robustes, nutzungsflexibles Gebäude errichtet, das hoffentlich sehr lange besteht.“ Das Atelier in der Klostergasse besticht durch seine Körperhaftigkeit und Plastizität. In den Block aus Beton sind die Fenster tief eingedrückt. Und auch drinnen ist es der Beton, an Böden, Decken, im Treppenhaus, der durch seine handwerkliche Bearbeitung sein plastisches und atmosphärisches Potenzial voll entfaltet. „Es ist eigentlich ein Betonrohbau, der innen ausgekleidet wurde. Es gibt Elemente in Holz, die das ergänzen, aber grundsätzlich ist das Haus ein innen gedämmtes Betonhaus.“
Die Schönheit des Materials ist eine Frage seiner kontextuellen Anwendung. Sein Nutzen ebenso. Schön ist, was zu einer Steigerung eines positiven Lebensgefühls beiträgt. Worin dieses besteht, hängt wiederum vom jeweiligen Lebensentwurf ab. „Wir wollen Dinge machen, die angemessen sind. Die zu den Leuten und dem Ort passen und eine gewisse Selbstverständlichkeit haben. Die sich zurücknehmen und selbst nicht zu wichtig machen, aber natürlich wichtig sind. Am Ende geht es auch um Präzision in den Entscheidungen.“

Die Entspanntheit, mit der Bernardo Bader an viele Aufgaben herangeht, ist Ausdruck einer Haltung und Teil des Arbeitsverständnisses im Büro. „Für mich geht es nicht nur um das Objekt als Resultat, sondern auch um den Prozess und eine Alltagspraxis.“ Die Praxis ist die Baustelle, die Werkstatt, der Ort der Arbeit, die Zeit der Arbeit. In der Zusammenarbeit entsteht Gemeinschaft. Die Gemeinschaft hat ein Ziel. Das Ziel ist das Erzeugen einer spezifischen Qualität, die der oder die Einzelne nicht zu realisieren vermag. So wie das eben ist, im Handwerk.
Viele Projekte von Bernardo Bader nehmen ihren Anfang im Bregenzerwald und sind verbunden mit der Herkunft des Architekten, seinen biografischen Wurzeln. In Krumbach, im vorderen Bregenzerwald, wo mehrere Projekte des Büros realisiert sind, ist Bernardo Bader auch zu Hause. Arbeit ist hier mit Verantwortung verbunden. Man zeigt sich über das eigene Handeln und Tun. Man zeigt sich als Person und dann erst in der Profession. Doch Bauen ist keine Einzelleistung. Die Tätigkeit des Bauens ist verwoben mit dem Ort und seinen Menschen. Sie entsteht im Zusammenspiel mit Auftraggebern, Behörden, Kolleginnen und Kollegen, mit den Ausführenden, im Fall von Bernardo Bader besonders mit den Handwerkern der Region. Diese spielen für das Gelingen eines Projektes eine besondere Rolle als Vertraute und Mitspieler, als Verbündete und als versiertes Gegenüber. Viel vom Architekturverständnis des Büros kommt aus der Affinität für das Handwerk.
Gezeigt hat sich das unter anderem in der Kapelle Salgenreute, einem kleinen Andachtsraum, der über einen ausgedehnten Spaziergang zugänglich ist, das letzte Stück über eine Wiese. Der sommerliche Trampelpfad gibt eine Vorstellung über den intensiven Architekturtourismus, den Krumbach nicht erst seit den „Bus Stops“ erlebt. (Anm.: Ebendort bauten international bekannte Architekturbüros vor wenigen Jahren neue Bushaltestellen.) Die Kapelle ist ein Fixum der vielen Gäste auf ihrer Architekturreise. Die Kapelle Salgenreute verbindet innere Stille mit der äußeren Schönheit der Landschaft. Sie ist ein Kooperationsprojekt der Gemeinde und der Anwohner mit Arbeitsleistung von vielen Beteiligten. Diese Beispiele liefern den Stoff für die Geschichten rund um die Baukultur in Vorarlberg und sind Motivation für weniger gute Zeiten.

Die Konstruktion in der Architektur von Bernardo Bader nimmt immer Bezug auf den Raum. Sie dient dem, was hier entstehen soll, und wird dementsprechend forschend entwickelt, geprüft und, wenn es sein muss, auch wieder verworfen. „Realisiert wird, was der kritischen Prüfung durch Kolleginnen und Kollegen, Fachplaner und Handwerker standhält.“ Sie baut auf dem vorhandenen Wissen über Material und Bauweise auf. Und wird so selbst zu einem tragenden Element. In der Architektur von Bernardo Bader nimmt sie einen wichtigen Stellenwert ein. Dabei werden die Möglichkeiten des modernen Holzbaus konsequent ausgeschöpft und wenn möglich weiterentwickelt. „Das Schöne am handwerklichen Bauen ist, sich gemeinsam neue Lösungen ausdenken und diese dann auch ausprobieren zu können.“
Wie können die aus einer lokalen Holzbautradition abgeleiteten Strategien in anderen kulturellen Settings eine ähnlich prägnante Wirkung erzeugen? Hier hilft die Neugier des Büros, sein Anspruch, sich nicht im Eigenen und Gewohnten zu ergehen, und die Lust, Erprobtes mit Erprobtem aus anderem Kontext zu vergleichen, zu kombinieren und neue Kooperationen einzugehen. Kontextuelles Bauen folgt keinem Schema. Seit gut 40 Jahren entwickelt sich in Vorarlberg eine spezifische Form der Baukultur. Die Arbeiten von Bernardo Bader sind auf diesem Humus gewachsen. Sie sind Fortführung einer Entwicklung, die ihre frühen Protagonisten mit der Überschrift „Baukunst“ versehen haben – ein widerständiges, doch gesellschaftlich konstruktives Phänomen. Ein Kulturphänomen, getragen von Querdenkern, Intellektuellen und Praktikern. Mit Akteuren wie Bernardo Bader findet diese Entwicklung eine Fortschreibung. Geblieben ist die Bodenhaftung, das Selbst-Handanlegen, die Lust an der Zusammenarbeit mit anderen und die kritische Reflexion des eigenen Tuns. „Und zu guter Letzt zählt das, was daraus geworden ist und was davon bleibt.“

 

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