Das Forschungsinstitut Brenner Archiv an der Universität Innsbruck umfasst rund 300 Nachlässe, Teilnachlässe und Sammlungen von Kulturschaffenden und kulturellen Organisationen. Dort aufbewahrte Briefwechsel zwischen bedeutenden Persönlichkeiten erscheinen in einer mehrjährigen Artikelserie in Quart. Diesmal: Die Korrespondenz zwischen dem Schriftsteller sowie Fackel-Herausgeber Karl Kraus und dem Innsbrucker Verleger und Gründer der Zeitschrift Der Brenner, Ludwig von Ficker, der nicht nur die Schriften seines Freundes Kraus, sondern auch Gedichte von Georg Trakl publizierte. Einer der Briefe Fickers an Kraus hielt sogar Einzug in Kraus’ Tragödie Die letzten Tage der Menschheit. Ausgewählt und kommentiert von Markus Ender.
Der entscheidende Impuls für die persönliche Beziehung zwischen dem Wiener Publizisten Karl Kraus (1874–1936) und seinem Innsbrucker Pendant Ludwig von Ficker (1880–1967) lässt sich exakt bestimmen: Den Anfang für den langjährigen Kontakt und die spätere Freundschaft macht ein Essay mit dem bezeichnenden Titel „Karl Kraus“, den Ficker in der zweiten Nummer seiner Kunst- und Kulturzeitschrift Der Brenner im Juni 1910 unter seinem Pseudonym „Fortunat“ veröffentlicht. Das darin geäußerte, unbedingte Bekenntnis Fickers für Kraus und für seine kämpferisch-satirische Zeitkritik illustriert gleichzeitig die Ausrichtung seines eigenen Publikationsorgans deutlich – die anti-journalistische Grundhaltung, die Abwendung von der bürgerlich-ornamentalen Kunst sowie die Forderung, dass Ethik und Ästhetik zur Deckung gebracht werden müssen. Insofern verwundern auch nicht die Angriffe auf die Kraus-Kritiker, die keine andere Möglichkeit besäßen, als „sich seiner herausfordernden geistigen Physiognomie mit Brachialgewalt zu nähern.“ Das Fazit, so Ficker, lautet aber: „Man hat eben diesen kapitalen Revierschädling durch ein Jahrzehnt Totschweigehetze nicht zur Strecke gebracht.“ Die Kraus-Manie geht im ersten Jahrzehnt so weit, dass Ficker gnadenlos alle Kritiker in seinem Umfeld abstraft – entweder durch Entzug der Freundschaft, Verweigerung weiterer Publikationen oder beidem. Karl Röck bekommt dies beispielsweise zu spüren: Nachdem er offen den Kraus-Kult, der ihm in Tirol deplatziert vorkommt, kritisiert, wird er von Ficker gleichsam aufs kulturelle Abstellgleis verbannt.
Paradox ist dabei, dass Kraus die anerkennenden Worte Fickers zunächst gar nicht selbst zu Gesicht bekommt. Erst mehr als ein Jahr später und über die Vermittlung des Fackel-Mitarbeiters Richard Weiß stößt er im Sommer 1911 auf den Brenner. Der erste briefliche Kontakt mit Ficker erfolgt allerdings nicht direkt, sondern über den Verlag Die Fackel (hinter dem freilich ebenfalls Karl Kraus steckt). Mit diesem Schreiben war es Kraus offenbar um ein quasi-anonymes Ausloten und Abtasten bestellt, inwieweit das noch unbekannte Gegenüber auf die Vorschläge eingehen würde. Von Interesse ist für Kraus neben Fickers Lobrede, die im Brief zur Sprache kommt, insbesondere ein weiterer „Aufsatz über Karl Kraus“: Gemeint ist ein Passus im Essay „Verfall“ des Südtiroler Schriftstellers und Naturphilosophen Carl Dallago (1869–1949), in dem sich Dallago mit der „lärmenden Gefolgschaft“ George Bernhard Shaws und Hermann Bahrs auseinandersetzt. Ihrem Gebaren hält Dallago die Vorgehensweise des ihm bis dahin unbekannten Karl Kraus entgegen: „Wieder ein Mensch! Und ich wunderte mich über das harte und doch wieder warme, weitherzige Menschentum, das in diesen Schriften umging, und auch darüber: wie viele Wege es gibt zur Künstlerschaft, wenn nur erst das nötige Menschentum da ist. Kraus mag mehr Nachtfalter sein; er schaut zu sehr in unsere Zivilisation und muß so ihre Nacht sehen. […] Und wie er seinen harten Weg machte, allein und ausgesetzt, nur sich selber getreu, gibt seiner Wegrichtung etwas von der Wegrichtung der Großen.“ Ludwig von Ficker nimmt diesen Essay und die darauffolgende Kontaktaufnahme Kraus’ unmittelbar als Veranlassung, in Innsbruck eine Kraus-Lesung vorzubereiten. Zuvor reagiert aber Kraus in der Fackel, ebenfalls mit lobenden Worten, indem er den Brenner als „aus einem literarischen Willen und sichtlich auf einem reineren Niveau, als jenes ist, auf dem in Berlin die um Fischer und Fleischl ihren Kohl bauen“ bezeichnet. Wie die Respektsbezeugungen aufzufassen sind, wird durch die wechselseitigen Annoncen deutlich, mit denen in Fackel und Brenner das jeweilige Gegen-Medium angezeigt wird; da beide Zeitschriften ohne finanzielle Zuwendungen von außen betrieben werden, stellt dies eine nicht zu unterschätzende Geste Fickers wie Kraus’ dar.
Zu einer persönlichen Begegnung zwischen Ficker und Kraus kommt es im Jänner 1912 bei der ersten, vom Brenner veranstalteten Lesung in Innsbruck, drei weitere Lesungen folgen. Ab diesem Zeitpunkt ändert sich der Ton der Briefe, er wird freundschaftlicher, die Themen persönlicher – bis hin zur Anrede „L. Fr.“ („Lieber Freund“). Die Widmung, die im Zuge des Besuches im Jänner 1913 entsteht und die Kraus in Fickers Exemplar von Pro domo et mundo anbringt, ist auf eine besondere Weise bedeutungsschwer, denn sie beweist, dass die antithetische Gegenüberstellung von Aufbau und Zerstörung – ein Prinzip, das Kraus in der Fackel exzessiv pflegt und das auch für den Brenner zum Muster und Beispiel wird –, Thema der Gespräche gewesen ist. Kraus ist offenbar von der familiären Atmosphäre in der Mühlauer Rauch-Villa, wo Ficker seit 1908 mit seiner Familie lebt, und vom Umgang mit den Autoren und Freunden des Brenner, allen voran Georg Trakl, so angetan, dass er (im Konjunktiv formuliert) eine Lebensänderung entwirft: „Wenn ich – statt sie ‚nur zu zerstören‘ – mich auf allgemeines Verlangen entschlösse die Welt ‚auch aufzubauen‘, so brauchte ich einen Plan. Und den nähme ich von der Erinnerung an den einen Tag in Mühlau.“
Georg Trakl begegnet Kraus, zu dem er schon 1910 brieflichen Kontakt gesucht hat, persönlich im Sommer 1912 bei Ficker in Mühlau; besonders im Jahr 1913 haben die beiden intensiven persönlichen Umgang. Im Spätsommer bewegt Kraus den Dichter, gemeinsam mit Adolf Loos und Ficker, zu einer Venedig-Reise. Kraus nimmt im November 1914 Anteil am Tod Georg Trakls, der im Krakauer Militärspital nach einer Überdosis Kokain stirbt, er liest zu seinem Gedenken Gedichte und stellt Trakls Briefe an ihn für die von Ficker herausgegebenen Erinnerungen an Georg Trakl (1926) zur Verfügung. All dies weiß Ficker zu würdigen, wenngleich er von der Überzeugung getragen ist, dass Kraus die literarische Bedeutung Trakls nicht vollständig zu erfassen vermocht hat.
Der Erste Weltkrieg bedeutet nicht nur durch den Tod Trakls einen Einschnitt: Während Kraus für den Militärdienst Untauglichkeit bescheinigt wird, rückt Ficker am 15. März 1915 als Einjährig-Freiwilliger Offiziers-aspirant in Brixen zum 2. Tiroler Kaiserjäger-Regiment ein. Mit diesem Schritt verändert sich auch die Kommunikation. Fickers Briefe sind in der Regel breit angelegt; er feilt um Formulierungen, erklärt Zusammenhänge, oftmals erfolgen Entwurf auf Entwurf, bis schließlich der Brief in der genehmen Form (oder gar nicht – auch hierfür existieren Beispiele) abgeschickt wird. Kraus hingegen ist stets kurz angebunden, er scheint immer in Eile und gebraucht den Telegrammstil auch dann, wenn er keine Telegramme schickt. Die Kriegssituation bewegt ihn aber, diesen Stil aufzugeben und ausführlicher zu schreiben. Kraus ist bemüht, Ficker vor einem Fronteinsatz so lange wie möglich zu bewahren, und versucht auch, sich in hohen militärischen Kreisen für Ficker zu verwenden. Wie sehr er von von Fickers Lage betroffen ist, zeigt ein Brief an Sidonie Nádherný: „Gestern war, nach einer ganz schlaflosen Nacht, ein qualvoller Tag. Der Krieg klopfte auch an meine Thür, nicht nur an Deine. Ich bekam die Nachricht, daß einer der wenigen Menschen, die sich anständig gegen mich und mein Werk benommen haben, in einer horriblen Situation auf die Abberufung zur Front als Erlösung wartet. Der Vorfall ist so entsetzlich, daß ich Dir das schriftlich nicht schildern will. Dazu begibt sich das in eurer nächsten Nähe. Ich habe mich sofort an Baron Lempruch gewandt, der wieder in Tirol ist, und ihn ganz offen um Protektion dieses Ausnahmsfalls gebeten.“
Der Brief vom 11. November 1915 macht Fickers Querverbindungen zu zentralen Figuren der Wiener Kulturszene deutlich. Zu Wort melden sich darin neben Kraus auch Adolf Loos und Oskar Kokoschka, die vorderhand Freundesgrüße an die Front entbieten. Sichtbar wird damit aber vor allem ein Netzwerk, dessen Fäden sich von Tirol nach Wien und durch den Krieg weiter in entlegene Bereiche der Monarchie ziehen. Obwohl abwesend, ist einmal mehr Trakl ein verbindendes Element, der Kraus, Kokoschka und Loos bereits aus seiner Zeit des Wiener Akademischen Verbandes für Literatur und Musik gekannt hat. Der im Brief erwähnte Ort des Treffens ist nicht zufällig gewählt, denn das Café Capua im I. Wiener Gemeindebezirk, Johannesgasse 3, ist von Adolf Loos eingerichtet worden. Die etwas merkwürdig anmutenden Worte Kokoschkas rühren von einer frischen Kriegsverletzung her; Kokoschka hat im August 1915 bei Kämpfen an der russischen Front einen Kopfschuss und einen Bajonettstich erlitten, ist aber schnell genesen. Die persönliche Anteilnahme, die Kraus in seinen Briefen aus der Kriegszeit an Fickers Schicksal zum Ausdruck bringt, steht im krassen Gegensatz zur offiziellen Berichterstattung; hier schreibt der vehemente Kriegskritiker, dessen Mitgefühl mit dem an der Front Stehenden in die wenigen Worte der Postkarte einfließt, während sich dort die ebenso nüchterne wie menschenverachtende Nachrichtenpraxis des Militärs findet, die auch in Die letzten Tage der Menschheit Eingang findet: So meldet beispielsweise die Neue Freie Presse am 29. September 1916 „Keine besonderen Ereignisse“.
Ficker übersteht die Kampfhandlungen in den Süd-
tiroler Dolomiten, wohin seine Einheit versetzt wird, zunächst unbeschadet; im Juli 1917 wird er aber bei einem italienischen Angriff, ebenfalls auf dem Cima Busa Alta, verwundet. Ein Schrapnellsplitter streift seinen Hinterkopf und verursacht eine zwar schwere, aber nicht lebensbedrohliche Verletzung. Dieser Vorfall bewirkt immerhin eine wesentliche Verbesserung von Fickers Situation, denn er wird nach Wien ins Lazarett des Militärspitals verlegt, nach seiner Genesung erfolgt eine erneute Versetzung nach Galizien. Der von Kraus schon im August 1915 erbetene Gegenbesuch Fickers in Janowitz, dem Stammsitz von Sidonie Nádherný und ihrem Zwillingsbruder Karl, lässt sich gesichert erst im September 1917 nachweisen, als Ficker am neuen Frontabschnitt größere Freiheit genießt. Was aus der Formulierung sowie aus den Korrespondenzen im Umfeld des Briefes ersichtlich wird, ist die Tatsache, dass Kraus seinerseits Ficker mehrfach Besuche abgestattet hat, sei es alleine oder in Begleitung.
Seit Juni / Juli 1918 bis zum militärischen Zusammenbruch ist Ficker im Heimkehrerlager Nr. 237 in Bukaczowce (Galizien) mit der Repatriierung der von der russischen Front zurückkehrenden österreichischen Soldaten, die zuvor in russische Kriegsgefangenschaft geraten waren, beauftragt. Gegen Jahresende kehrt er über Tarnopol und Ungarn nach Innsbruck heim. Nach seiner Rückkehr beginnt der briefliche Austausch zwischen den Freunden zu verflachen; Kraus antwortet, wenn überhaupt, nur knapp auf Fickers Briefe, und auch Ficker schreibt seltener. Die Gründe sind unklar, sie müssen weitgehend Spekulation bleiben. Sind es die schweren Störungen, denen Kraus’ Beziehung zu Sidonie Nádherný ausgesetzt sind, die erneut den Versuch macht, „standesgemäß“ zu heiraten? Sind es divergierende politische Erfahrungen, die der Soldat Ficker und der vom Militärdienst verschonte Kraus gemacht haben? Sind Kraus’ Zuwendungen der Freundschaft, die auch Fickers Frau Cissi miteinbezogen haben, als von diesem als zu aufdringlich empfunden worden? Sind die gelegentlichen Versuche, „es ihm zu richten“, also Ficker Erleichterungen in den militärischen Verwendungen zu verschaffen, als etwas erschienen, was letztlich doch im Grunde Kraus’ eigenen apodiktischen Positionen widersprochen hat? Die Korrespondenzen aus dem Zeithorizont illustrieren, dass Ficker jedenfalls bestrebt ist, das ursprüngliche Bild von Kraus mit dessen neuen Veröffentlichungen in Einklang zu bringen. Sicher ist jedenfalls: Ein Brief Fickers aus dieser Phase des Krieges hat Eingang in die Weltliteratur gefunden, denn Kraus hat das Schreiben vom 7. Juli 1918 mit nur unwesentlichen Änderungen in Die letzten Tage der Menschheit aufgenommen. Der Bericht des „Freundes“ erscheint Kraus so wichtig, dass er in allen Überarbeitungen dieser Realsatire erhalten bleibt, heute in der 36. Szene des V. Aktes.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges verdichten sich bei Ficker und Kraus die divergierenden Auffassungen darüber, was Kunst zu leisten vermöge. Entsprechend verlagern sich in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre die Beziehungen vordergründig auf karitative Anliegen. Ficker benennt Hilfsbedürftige, die Kraus, der durch seine Zeitschrift, seine Vorlesungen sowie Funk- und Theaterinszenierungen unabhängig ist, mit großer Generosität unterstützt. Der Verlag Die Fackel übernimmt dabei vielfach wieder die Korrespondenz, während Kraus zahlreiche Prozesse auszufechten hat. Ficker verliert Anfang Mai 1928 seine Anstellung im Universitätsverlag Wagner und ist längere Zeit arbeitslos. Trotz dieser prekären Lage bleibt er bestrebt, seine materielle Unabhängigkeit, insbesondere von Kraus, zu erhalten. Jeder Versuch, Ficker finanziell zu unterstützen, wird mit dem Hinweis auf die bereitstehenden Hilfen seiner Familie abgewiesen. Punktuell weist Kraus auf für Ficker relevante Vorkommnisse hin, wie den anti-symbolistischen Plagiatsvorwurf Alexander Lernet-Holenias, Trakl sei ein Abschreiber und Artist gewesen, vereinzelt unternimmt er noch Versuche, ein persönliches Treffen zu organisieren, beispielsweise in ungezwungener Umgebung am Eibsee, wohin er öfter reist, doch Ficker nimmt die Einladungen nicht an. Die letzte persönliche Begegnung zwischen Kraus und Ficker findet zwischen dem 6. und 9. Oktober 1934 statt, als Kraus auf der Rückreise von einem Erholungsurlaub an der Adria noch einmal in Innsbruck Station macht. Überliefert ist, dass beide eine Nacht lang in einem Innsbrucker Café sitzen, Aufzeichnungen über diesen Besuch gibt es nicht.
Karl Kraus stirbt am 12. Juni 1936 in seiner Wohnung in Wien. Ludwig Ficker, der sich trotz aller Gegensätze als Freund versteht, muss es besonders getroffen haben, dass er nicht von Kraus’ Freundeskreis über dessen Tod unterrichtet wird, sondern von der Buchdruckerei Jahoda & Siegel, unterzeichnet von Frieda Wacha, der langjährigen Mitarbeiterin des Verlags Die Fackel. Beim Begräbnis am 15. Juni steht er abseits; auch die Möglichkeit, bei der Trauerfeier zu sprechen oder an einem Gedenkheft der Fackel mitarbeiten, wie es ihm Karl Jaray angeboten hat, nimmt er im Herbst 1936 nicht wahr, da er dieses Angebot als Bevormundung interpretiert. Im Umfeld des Brenner hält Ficker das Andenken an Kraus, den „Siegelbewahrer eines Geistes“, allerdings in fast hagiographischer Weise hoch – wobei die Klage über den Verlust des Satirikers in Widerspruch zum jahrelangen Umgang mit dem lebenden Kraus, vor allem seit den 1920er Jahren, steht.
1911-07-31
Verlag „Die Fackel“ an Ludwig von Ficker
Tit.
Redaktion des „Brenner“, Innsbruck
Wien, 31. Juli 1911.
Im Heft vom 15. Juni 1911 soll ein Aufsatz über Karl Kraus unter dem Titel „Verfall“ erschienen sein. Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie uns dieses Heft per Nachnahme oder im Tausch für eine entsprechende Anzahl von Heften der Fackel zugehen lassen wollten. Auch soll schon vor etwa einem Jahr in Ihrer w. Zeitschrift ein Essay erschienen sein, der sich mit Karl Kraus befaßt hat. Wir wären Ihnen auch für die Zusendung dieses Heftes unter den gleichen Bedingungen verbunden.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Verlag „DIE FACKEL“
Wien, III / 2.
Hint. Zollamtsstr. 3
Heilpern
1913-02-25
Karl Kraus an Ludwig von Ficker
[Widmung]
Lieber Herr von Ficker!
Wenn ich – statt sie „nur zu zerstören“ – mich auf allgemeines Verlangen entschlösse die Welt „auch aufzubauen“, so brauchte ich einen Plan.
Und den nähme ich von der Erinnerung an den einen Tag in Mühlau.
Haben Sie Dank für Brief und Buch
von Ihrem
Karl Kraus
Wien, 25. Februar 1913
1914-11-10
Karl Kraus an Ludwig von Ficker
[Telegrammvermerk: Wien, 10.11.1914]
Tief schmerzlich betroffen mitfühlend grüße ich Sie herzlichst
Krauss [sic!]
1915-07-19
Karl Kraus an Ludwig von Ficker
[Wien] 19. Juli [Poststempel: 1915]
Mein lieber Herr v. Ficker!
Wie ist das entsetzlich, und wie gehört es doch zu all dem Entsetzlichen. Nichts kann ich sagen, als – daß der Fall, um den es sich hier handelt, einer jener wenigen ist, die mich das beispiellose Unrecht, das sich noch die schlechteste Welt zufügt und von dem sich abzuwenden die letzte sittliche Aufgabe ist, wieder als Tortur an mir selbst empfinden lassen. Aber was hilft es dem, dem’s noch schlechter geht? Vielleicht doch ein wenig, indem ich es ihm sage und dazu die Hoffnung lege, daß der, welcher es mitmacht, die Verwandlung schließlich besser ertragen wird als einer, der so draußen steht wie ich! Es ist sehr leicht möglich, daß ich Sie in etwa vierzehn Tagen sehen werde. Bis dahin will ich einen Weg versuchen, nicht zu einer böhmischen, sondern zu einer Tiroler Stelle. – Ich arbeite jetzt – für das mir wichtigste Buch – das scheußliche Vorspiel dieser Zeit durch. Ich lese unter Herzkrämpfen, wie vierschrötige Lumpen damals gefangene Türken wegen deren Feigheit verhöhnt haben. Daß solche Gesinnung, weil sie „schreiben kann“, jetzt schockweise frei herumgeht, ist ein Eindruck, der eine edlere Ausnahme wohl rechtfertigt.
Gelingt’s nicht, so leben wir, getröstet und zuversichtlich, weiter in dem Wissen, daß einem Inhalt kein Zustand etwas anhaben kann. Nehmen Sie einen herzlichen Gruß von Ihrem
Karl Kraus
1915-08-25
Karl Kraus an Ludwig von Ficker
JANOWITZ, BEZ. SELCAN […]
Mittwoch / Donnerstag [Poststempel: 26.08.1915]
L. Fr.
wäre es Ihnen nicht irgendwie möglich, diesen Sonntag mir einen Gegenbesuch zu machen? Baronin und Baron Nadherny würden sich sehr freuen. Ein Zug von Beneschau geht um 11 Uhr 14 vorm., von Wottitz-Weselka vor 6 Uhr abends. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich inzwischen ein Bekannter, der hier zu Besuch war, um die Ertheilung der Erlaubnis bei einer Stelle in Beneschau bemüht hat – Sie würden es vielleicht erfahren. Jedenfalls aber könnten Sie den Versuch machen u. für den Fall, daß die Bahnfahrt nicht bewilligt würde, einen Wagen miethen. Dies würde doch wohl erlaubt werden, wenn Sie sagen, daß Sie zu der von mir erbetenen wichtigen Besprechung auf wenige Stunden nach Schloß Janowitz wollen! Sollten Sie mit der Bahn kommen, so würde Sie ein Wagen in Wottitz-Weselka (nicht Wottitz-Stadt, das ist weiter von Beneschau) abholen. (Die Wagenfahrt von Beneschau bis zum Schloß dauert zwei Stunden.) Müßten wir auf Ihren lieben Besuch verzichten, so käme ich vielleicht doch noch einmal zu Ihnen, was freilich mit großen Schwierigkeiten verbunden wäre. Bitte, geben Sie Nachricht. (Wenn telegraphisch bitte auch bis Samstag oder Sonntag 10 Uhr vorm. Viele herzliche Grüße
u. die besten Wünsche von Ihrem
K. K.
1915-11-08
Karl Kraus an Ludwig von Ficker
Wien, 8. Nov. [Poststempel: 1915]
L. Fr.
früh, gleich nach Empfang Ihrer lieben Karte, auf die ich leider nur mit meinen Hoffnungen und Wünschen antworten kann, habe ich einen Mann aufgesucht, der sich in diesen Angelegenheiten „auskennt“: er hat mich über den Schluss Ihrer Karte beruhigt, wirklich beruhigt. Es sei neuestens anders.
Jetzt habe ich L. aufgesucht. Wir sitzen im Café Capua und senden Ihnen die allerherzlichsten Grüße.
Ihr
K.
L. H. v. F.! Ein guter Freund der Familie Hentschel ist in Ihrem Regiment Oberleutnant, der Maler Rudolf Parsch. Er ist Leiter einer Munitionskolonne. Könnten Sie sich mit ihm in Verbindung setzen? Hentschels und ich lassen ihn herzlich grüssen. Auch wir haben ihm geschrieben, er kennt Sie durch den Brenner.
Mit den besten Grüssen und Wünschen
Ihr
Adolf Loos
Lieber Herr v. Ficker Das Ganze ist ein Mißverständnis, wundern Sie sich nicht lieber Freund Ich bleibe Ihr alter OKokoschka
ohne Charge!!
Kommentar: Wundern Sie sich nicht, lieber Freund über das Vorhergehende. OK hat einen Schuss ins Hirn, allerding [sic!] hat er vorher genau so dunkel (Magus von Ottakring) geschrieben. Sonst ist er xund
A. L.
P. S. Die beiden Herren meinen es ernster als sie thun. Trotzdem wäre es gut, den Brief mit der Unterschrift Adolf Loos abgeschlossen zu drucken.
Wenn Sie noch über das Neujahr in Zirl blieben, würde ich Sie besuchen.
(O. K. meint wirklich, daß der besprochene Transport weit besser sei als eine Fahrt in der 2. Classe.) Er habe ihn – hin u. zurück – mitgemacht.
1916-09-29
Karl Kraus an Ludwig von Ficker
[Poststempel: Wien, 29.09.1916]
Mein lieber Freund!
Immer denke ich an Sie.
Ihr
Karl Kraus
1926-08-14
Karl Kraus an Ludwig von Ficker
[Poststempel: Eibsee, 14.08.{1926}]
Hoffentlich kommen Sie l. Fr. und bringen Ihre Bade-Sachen mit (wenn möglich auch Schuhe, wegen der Steine).
Zimmer ab 3 Mk
Viele Grüße an Sie u. Ihr Haus
von Ihrem K. K.
Beste Grüsse
Bitte kommen Sie her
Helene M. Kann
1929-05-14
Verlag „Die Fackel“ an Ludwig von Ficker
Herrn Ludwig Ficker
Innsbruck-Mühlau 102
Wien, 14. Mai 1929
Hochverehrter Herr!
Herr Karl Kraus, der leider über alle Maßen beschäftigt ist, sendet Ihnen mit seinen besten Grüßen den beiliegenden widerlichen Anwurf des Herrn Lernet-Holenia gegen das Andenken Trakls und fragt, ob Sie nicht dazu Stellung nehmen wollen.
Mit dem Ausdruck
der vorzüglichsten Hochachtung
VERLAG „DIE FACKEL“
F. Wacha
1936-06-12
Buchdruckerei Jahoda & Siegel an Ludwig von Ficker
Buchdruckerei Jahoda & Siegel […]
12. Juni 1936
Herrn Ludwig von Ficker
Innsbruck-Mühlau
Schloßfeld 9
Hochgeehrter Herr v. Ficker!
In tiefer Erschütterung teilen wir Ihnen mit, daß Herr Karl Kraus heute früh an einer Gehirn-Embolie gestorben ist. Die Beerdigung findet Montag vormittags statt (½10 Uhr, ab Lothringerstraße).
Mit vorzüglicher Hochachtung
Jahoda & Siegel
Wien III, Hintere Zollamtsstraße 3
Wacha