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Olafur Eliasson
Originalbeilage Nr. 8

Jedes Heft von Quart erscheint mit einem Kunstwerk. Exklusiv für diese Ausgabe hat Olafur Eliasson eine Halluzination in Farbe beigelegt. Hier seine Gebrauchsanweisung: „Das Erleben von Farbe ist eng verbunden mit der Erfahrung von Licht und außerdem eine Frage der Kultivierung. Genauso wie Sinn und Wahrnehmung mit Erinnerung und Erkenntnis zusammenhängen, lässt sich unsere Beziehung zu Farbe direkt aus unserem kulturellen Umfeld ableiten. Die Inuit zum Beispiel haben ein Wort für Rot, jedoch dreißig für verschiedene Weißtöne.


Man könnte, leicht verallgemeinernd, einfach ein kleines Gedankenspiel bewerkstelligen, das sich auf die Farbe von Kalk bezieht. Kalk hat eine desinfizierende Wirkung und wurde gewöhnlich in Massengräber geworfen, um die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. Schon in den Laboratorien der Renaissance-Alchemisten wurde er als Bakterizid angewendet. Krankenhäuser gebrauchten Kalk, um ihre Wände weiß zu tünchen und zu desinfizieren und bald wurde die Farbe Weiß gleichbedeutend mit Sauberkeit. Auch in der Kirche wurde der reinigende Status weißen Lichts schnell übernommen, zum Beispiel in den romanischen Kirchen Nordeuropas, dann später in den protestantischen Kirchen,in deren Architektur die Farbe Weiß vom fünfzehnten bis zum neunzehnten Jahrhundert immer dominanter wurde.Vom Zeitpunkt der Industrialisierung, als die Moderne auch Dogmen für ein gesundes, gutes Leben einführte, war die Farbe Weiß schon tief in unserer Kultur als die einzig wirklich purifizierende Farbe verwurzelt.Mit dem Voranschreiten des zwanzigsten Jahrhunderts kamen die Modernisten zu der Überzeugung,dass ein offener und klarer Raum die beste Plattform für das Ausleben künstlerischer Selbstverwirklichung sei, und Weiß hielt Einzug in Kunstgalerien und Museen, wo es sich zur absolut dominierenden Farbe innerhalb des institutionellen Rahmens entwickelte, in dem Kunst kommuniziert wurde. Der so genannte ‚White Cube‘. Wenn man sich vorstellt, dass, wenn Kalk von Natur aus strahlend gelb gewesen wäre, das nun wohlbekannte Galerien-Schema eventuell auf dieser Farbe basiert hätte. Die Gelbe Box. Dann hätte sich unsere Geschichte vollkommen anders gestaltet.“

Foto Originalbeilage: Markus Bstieler

 

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