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Hand drauf

Die „Uheber“ im Zillertal heilen mit Rosenkranz statt Ultraschall. Filmemacherin Barbara Gräftner macht Recherchen zu einer Dokumentation, die wahrscheinlich nie auf Sendung gehen wird.

Als ich Sigmund R. anrief, um einen Termin für ein Interview zu vereinbaren, erlebte ich schon die erste Überraschung: „Ich will auf keinen Fall in eine Zeitung.“ Auf mein Drängen hin erklärte er mir auch den Grund für seine Ablehnung: „Medien schaden. Sie verbreiten eine falsche Seinsauffassung. Eine Zeitung will, dass sie gekauft wird, deshalb stehen nur Sachen drin, die die Leute hören wollen. Aber das, was hilft, ist genau das, was keiner hören will. Und darum steht das nie in einer Zeitung.“

Sigmund R. ist ein so genannter „Uheber“ – eine Art Handaufleger. Im Zillertal haben die Uheber eine lange Tradition, sie heilen Menschen und Tiere. Das war alles, was ich von den Uhebern wusste. Im Wikipedia und im Google finde ich sie nicht. Aber das macht die Sache nur spannend.

Mir blieb nur die Frage, ob ich vorbeikommen dürfe, wenn er Patienten behandle. Ich werde nicht lange brauchen, wollte ich noch dazusagen, und zahle das normale Patientenhonorar – das hatte ich mir vorher als Argumentation ausgedacht, sagte es dann aber doch nicht. Jedenfalls empfängt Sigmund R. jeden Donnerstag von morgens bis abends Hilfesuchende. Da werde ich eben hinfahren.

Der Postbus fährt nur zweimal am Tag, ich werde das Auto nehmen. Ich sage meinem Mann, dass ich am Donnerstag das Auto brauche, im Zillertal wen suchen. Die Uheber? Das interessiere ihn als Filmproduzenten auch, er könne mich ja hinfahren.

Donnerstags im schönen Zillertal führt uns das GPS zuerst nach Watzberg, dann eine Bergstraße hinauf Richtung Oberberg, wo Sigmund R. praktiziert. Wir fahren durch einen schönen Wald mit letzten Schneeflecken und mitten im Wald sagt das GPS: „Ziel erreicht, hier ist Oberberg“. Aber da steht kein einziges Haus. Wir fahren wieder zurück, den Berg hinunter, und halten an einer der wenigen, einladenden Jausenstationen, die jetzt geöffnet sind.
Die Wirtin der Jausenstation gibt uns bereitwillig Auskunft: Die Straße weiter, dann die zweite Abzweigung nach rechts. Ob was angeschrieben sei? „Nein, ein altes Postkastl steht, an der Abzweigung … kommt mir vor.“ Dass sie schon vielen, vielen Leuten diesen Weg erklärt hat, merke ich gleich. Ich werde nervös. Vielleicht jagt er uns gleich wieder davon. Vielleicht ist er ein bisschen verrückt oder unberechenbar … oder ein totaler Sonderling oder über hundert Jahre alt … oder alles auf einmal.

Wir finden die Abzweigung, fahren ein Stückchen bergab, und da ist plötzlich, mitten am Steilhang, ein Weiler vor uns. Die Häuser haben keine Nummern, aber man sagt uns bereitwillig, wo Sigmund R. wohnt. Wir betreten das alte Holzhäuschen. Über dem Eingang hängen mehrere gerahmte Segenssprüche. Alles ganz normal und bieder. Als ich die Türe aufmache, bin ich doch baff: In einem kleinen, niedrigen Hausgang warten fünf Leute aller Altersgruppen, wie im Wartezimmer eines Zahnarztes. Ich möchte fragen, woher die Leute kommen und wieso gerade hierher, und schaue in die Runde: zwei junge, vielleicht zwanzigjährige Frauen in Jeans und nabelfrei. Ein junger Mann, ca. 30, könnte ein Jungunternehmer aus Innsbruck oder München sein; eine alte, sonnengebräunte Frau und ein alter Mann am Stock. Die beiden Alten sind vermutlich aus der Umgebung. Mein Mann fühlt sich als Tiroler gleich ganz zu Hause: „Ja woher kemmt’s denn ös?“, fragt er in die Runde. Eine der jungen Frauen erzählt, dass sie aus dem Pitztal komme, und nicht zum ersten Mal hier sei. „Den Sigmund kennt man ja weltweit.“ Die andere junge Frau ist aus Hamburg. Auch nicht gerade ums Eck.

Eine Tür geht auf, und zwei Männer kommen aus der Küche. Ich weiß nicht, welcher der Uheber ist. Einer ist ungefähr 40, schlank, groß und bärtig, den anderen hätte ich auf ca. 50, 60 geschätzt, er ist klein und rund und schaut fröhlich und entschlossen drein. Der kleine Runde sagt: „Na, jetzt habe ich mir vielleicht einen Ranzen angefressen!“ Der große Bärtige sagt: „Und jetzt bist du zu nix mehr zu gebrauchen!“ Und der kleine Runde antwortet: „Na wart lei, dir werd’ ich schon helfen!“ Sie lachen und verschwinden in der Stube. Langsam wird mir die Bemerkung vom Helfen klar, der kleine Runde muss wohl Sigmund der Uheber sein.

Weitere Patienten kommen, und wir beschließen, draußen auf dem Bankerl zu warten. Vor dem Haus rinnt Quellwasser in einen Holztrog. Der große Bärtige kommt nach seiner Behandlung, die vielleicht zehn Minuten gedauert hat, aus dem Haus. Er hat seinen Jeep neben dem Holztrog geparkt, der voll beladen ist mit leeren Kanistern. Er nimmt einen Kanister nach dem anderen vom Jeep und befüllt sie mit dem Quellwasser, das aus einem Schlauch in den Trog rinnt. Ungefragt erklärt er uns gleich sein Tun: Das Wasser kommt aus vulkanischen Gesteinsschichten. Es ist ganz weich, man kann es ewig aufheben, ohne dass es schlecht wird, und es ist heilkräftig. Er deckt seinen ganzen Trinkwasserbedarf mit diesem Wasser. Zweimal im Jahr kommt er zum Sigmund, der seine Arthrose heilt, und dabei füllt er auch gleich seine Wasservorräte nach.

Als der letzte Patient glücklich und erleichtert lächelnd gegangen ist, holt uns Sigmund in die Stube. Er hat flinke Bewegungen und unglaublich wache, helle Augen. Er öffnet die Fenster, und wir setzen uns an den Stubentisch, auf dem fünf oder sechs Rosenkränze, zwei, drei handtellergroße Kruzifixe aus Holz oder Metall sowie Infobroschüren für Wallfahrten nach Medjugorje liegen. Sigmund setzt sich zu uns, zündet sich eine Zigarette an.
„Und was ist mit euch?“
Ich stottere, dass wir keine Hilfesuchenden seien, dass ich die sei, die angerufen habe, dass ich nur plaudern wolle, und dann würde ich etwas darüber schreiben.
Sigmund schaut zu meiner Erleichterung überhaupt nicht böse drein. Er sortiert fein säuberlich die Rosenkränze auf dem Tisch.
„Ich sag’s euch, was ich schon erlebt hab’ mit Fernsehen und Zeitungen – seht ihr die Vorhänge? Da waren vor fünf Jahren noch keine. Die habe ich hingehängt, weil sie da durch’s Fenster gefilmt und fotografiert haben. Einmal war sogar ein ganzes Fernsehteam da. Obwohl ich denen gesagt habe, ich mache keine Filmaufnahmen. Das schadet nur, es wird alles missverstanden und falsch interpretiert. Die Hilfesuchenden kommen auch so zu mir, wer zu mir will, findet schon einen Weg. Die Reporter wollen immer wissen, wie ich das mache, das Heilen. Aber ich sage denen immer nur, das wollt ihr wohl gerne wissen. Ich bin ja gar nicht derjenige, der heilt. Das ist Gott. Wollt ihr einen Kaffee?“

Wir gehen in die Küche, der Hausgang ist schon wieder gefüllt mit neuen Patienten. Ich frage, ob hier immer so ein Betrieb sei. „Am Donnerstag geht das so bis zwölf, eins in der Nacht. An den anderen Tagen bin ich unterwegs. Zu Leuten, die Hilfe brauchen. Erdstrahlen oder Wasseradern auspendeln. Ich bin die ganze Woche unterwegs, in Wien, in München oder noch weiter. Ich schlafe nur zwei Stunden, damit sich das alles ausgeht.“ Ich frage ihn, wie er das schaffe. Er sagt: „Da muss man durch. Berufung ist Berufung. Man kann Gott nur um genügend Kraft bitten.“

Sigmund fragt uns routiniert, wie wir den Kaffee wollen, und schon steht alles auf dem Küchentisch. Ich habe inzwischen meine Hoffnung fahren lassen, einer „Behandlung“ beiwohnen zu dürfen. Aber mit ihm beim Kaffee zu sitzen, ist eigentlich mehr als ich gehofft hatte. Ich frage ihn, ob auch Leute mit Krebs zu ihm kämen. Ich hätte vor zehn Jahren als Turnus­ärztin an einer Abteilung für Onkologie gearbeitet. Ziemlich schrecklich, denn mit der Chemotherapie werden keine Selbstheilungskräfte aktiviert, sondern wird ein Übel mit einem stärkeren Übel bekämpft. Sigmund wird böse. Er fragt mich, warum ich nicht Ärztin geblieben sei. Die brauche man doch so dringend. Gerade beim Krebs. „Wenn der einmal wuchert, wuchert er, und da sind alle Mittel angebracht, den Tumor wegzukriegen. Mit dem Messer oder chemisch. Wenn jemand mit Krebs zu mir kommt und sagt, er will nicht operiert werden, schick’ ich ihn gleich wieder weg – zum Schneiden. Man muss froh sein, dass es die Ärzte und den medizinischen Fortschritt gibt. Bei manchen Sachen hilft nichts anderes, das ist nun einmal so.“
Diese Aussage erstaunt mich.

„Andererseits schicken Ärzte manchmal Patienten zu mir, die sie aufgegeben haben. Wo sie denken, dass nur noch ein Wunder helfen kann. Da habe ich schon öfter etwas bewirken können.“
Ich bitte um ein Beispiel.
Die schlimmste Geschichte, die Sigmund bis heute nicht wirklich verkraftet hat, ist die einer Frau mit einem offenen Bein. Sie hatte auf Grund einer Gefäßentzündung extreme Durchblutungsstörungen im Bein, es war offen und entzündet bis zum Oberschenkel, die Ärzte sahen keinen anderen Ausweg als die Amputation. Einer der Ärzte gab ihr den Tipp, es noch bei Sigmund zu versuchen, weil sie sich so gegen die Amputation sträubte. Sigmund behandelte das Bein mit allem, was seine Kunst zu bieten hatte, mit selbst gemachten Salben und Gottes Hilfe. Sigmunds Zugsalben holten im Verlauf von Wochen die Entzündung und den Eiter aus dem Bein, und Sigmunds Gebete ließen es nachhaltig heilen. Zuerst dankte die Frau Sigmund vielmals. Dann hörte er Wochen nichts mehr von ihr. Und plötzlich hatte er eine Anzeige wegen Kurpfuscherei auf dem Tisch. Die Frau hatte ihre Heilung psychisch nicht verkraftet und Sigmund angezeigt. Weil er sie geheilt hat. Aber unter Durchführung einer medizinischen Behandlung, was nur Ärzte dürfen. Sigmund wurde freigesprochen, aber dennoch macht ihn diese Geschichte bis heute betroffen.

Sigmund hat 22 Jahre lang in der Hotelbranche in Zell am See gearbeitet. Sechs Berufe hat er gelernt, immer im Tourismus gearbeitet. Tagsüber Kellner, Koch oder Rezeptionist, nachts Barkeeper in der Bar oder Disco. Er ist jetzt 73 und hätte gerne einen Nach­folger. Er hat fünf Kinder und sechs Enkel, aber eine Berufung ist ja nicht erblich. Es braucht jemanden, der die Gabe und den Willen hat, zu heilen. Es gab einmal einen Buben aus der Nachbarschaft, der alle Voraussetzungen hatte, etwas ganz Besonderes war. Sigmund war mit ihm befreundet, und dachte ihn als seinen Nachfolger. Dieser junge Mann heilte schon als Kind die Kühe im ganzen Dorf und war seherisch begabt. Er wusste im Vorhinein, was jedem zustoßen werde.
Sigmund fragt, ob wir den kleinen Hausaltar in der Ecke des Vorraumes gesehen hätten. Da ist ein kleiner Marienaltar mit einer brennenden Kerze und dem Foto eines jungen Mannes. Das sei der Altar für diesen jungen Mann. Er ist mit 25 an Leukämie gestorben. Er hatte schon zu Lebzeiten sein eigenes, genaues Sterbedatum gewusst, auch als er noch ganz gesund war. Aber warum er so jung gehen musste, darauf hatte er keine Antwort. Der Junge starb genau am von ihm selbst vorhergesehenen Tag. Und seither hat Sigmund keinen Nachfolger mehr.

Ich frage nicht weiter. Sigmund will wissen, ob wir es eilig hätten, er würde gerne ein paar Leuten helfen, damit die nicht so lange warten müssen, und dann wiederkommen. Das Wartezimmer ist schon wieder gesteckt voll. Er verschwindet mit einer jungen Mutter und deren dreijährigem Kind in der Stube. Wir versuchen unsere Eindrücke zu verarbeiten. Ich sage gerade zu meinem Mann, dass es aber doch schade sei, nicht gesehen zu haben, was in der Stube beim „Handauflegen“ vor sich geht. Da ist die junge Mutter auch schon fertig, und Sigmund winkt uns als nächste in die Stube. Ohne weitere Erklärung lässt er mich beim Tisch Platz nehmen und die Hände auf den Tisch legen. Die Rosenkränze hängt er über seine rechte Hand, in die andere nimmt er zwei Kruzifixe – und das alles so, dass er noch in jeder Hand ein Pendel halten kann. Die Pendel wandern über meinen Kopf, meine Schultern und Hände. Ganz rasch, das Pendel rotiert wild. Dann (so erzählt mir nachher mein Mann, denn ich sitze ganz still, ohne mich umzudrehen) stellt er sich hinter mich und betet flüsternd mit geschlossenen Augen, die Arme seitlich ausgestreckt. Dazwischen streicht er etwas von mir weg, ohne mich zu berühren. Das ganze dauert nicht länger als fünf Minuten.
Sigmund sagt, er habe bei mir etwas „wenden“ müssen, ich schliefe auf Erdstrahlen, links in meinem Bett. Beim Aufwachen sei ich sicher müde. Dann pendelt er meinen Mann Robert aus, in jeder Hand ein kreisendes Pendel. „Der ist gesund“, sagt er. „Nur hier ist er verspannt, und deshalb tut ihm der Arm weh.“ Er betet und massiert kräftig eine Stelle zwischen Roberts Schulterblättern. „Habt ihr Kinder?“ fragt er noch, während er, ohne eine Antwort abzuwarten, ein Pendel über Roberts Becken hält. „Das geht ohne Probleme. Habt’s sonst noch was?“ Wir verneinen verdutzt und bedanken uns.

Ich frage nach dem Honorar. Sigmund sagt, dass er kein Geld für sein Helfen verrechne. Das Wesen vom Wenden sei Nächstenliebe, für Geld dürfe man das nicht machen. Er selbst sei finanziell abgesichert mit der Pension, er habe außerdem keine materiellen Ansprüche. Ich frage noch, von wo überall Hilfesuchende zu ihm kämen. Er lächelt spitzbübisch: Also wenn es mich schon interessiere – sein prominentester Amerikaner sei der Expräsident Bill Clinton. Er selber brauche da aber nicht nach Amerika zu fahren, das so genannte „Blutstillen“ erledige er per „Fernwendung“. Das muss ich unbedingt noch genauer wissen. Was ist Blutstillen? Die nächsten Patienten stehen schon in der Tür, eine Zillertalerin mit ihrer zwanzigjährigen Tochter. Sie sind erstaunt über mein Unwissen. Früher hat es praktisch in jeder Familie einen Blutstiller gegeben, wird mir erklärt, der Sohn hat das vom Vater gelernt. Wenn man sich verletzt hat, mit der Sense oder mit der Hacke, und es hört nicht auf zu bluten, kann der Blutstiller die Blutung mit Beten stoppen. Er muss dafür nicht einmal anwesend sein, er kann auch ganz woanders sein, im nächsten Dorf.

Sigmund erzählt, dass Bill Clinton eine Bypassoperation hatte, bei der es zu Blutungen gekommen sei. Clintons Schwester habe in der Woche davor bei ihm angerufen und ihn gebeten, sich während der Operation bereit zu halten. Wenn etwas sei, würde sie anrufen. Als es dann tatsächlich zu lebensgefährlichen Blutungen kam, rief sie Sigmund an, und dieser stoppte die Blutung noch während der Operation innerhalb weniger Minuten. So etwas mache er übrigens oft, sagt Sigmund. Das Blutstillen auf diese Art sei im Zillertal gar nichts Besonderes.

Als ein Mann aus dem Nachbardorf mit lebensgefährlichen Varitzenblutungen im Krankenhaus lag, schickte dessen Frau nach Sigmund. Aber der war nicht zu Hause, worauf sie die Gendarmerie benachrichtigte. Die verstand sofort, worum es ging, und suchte nach Sigmund, der gerade auf einer Alm war. Mit Tatü-Tata kam die Gendarmerie auf die Alm und richtete ihm aus, dass er Blutstillen müsse. Sigmund bat sie, sich kurz zu setzen und etwas zu trinken. Er verschwand für drei Minuten im Nebenraum, betete und stillte so die Blutung. Dann kam er wieder heraus, und sagte: „So, ihr könnt wieder fahren, alles erledigt …“ Und die Blutung des Mannes im Krankenhaus war gestillt. Genau so war das, versichern die beiden Zillertalerinnen. Sigmund merkt, dass ich das kaum glauben kann. „Der Schlüssel zu allem ist Gottvertrauen“, sagt er.

Dann erzählt er noch eine Geschichte: „Es kommen auch Moslems. Das macht keinen Unterschied. Letzten Donnerstag war eine persische Familie hier. Die beten mehrmals am Tag, und während sie gewartet haben, wollten sie hinter dem Haus den Gebetsteppich ausrollen. Sie haben mich um Erlaubnis gefragt, aus Angst, meine Arbeit zu stören. Ich habe ihnen gesagt, Gott ist Gott, und habe mich gleich dazugesetzt und mit ihnen gebetet. Sie mit ihrem Teppich und ihren Verbeugungen nach Osten und ich mit dem Rosenkranz. So haben wir nebeneinander gebetet.“

Auf der Heimfahrt nach Wien habe ich sehr viel zu denken. „Uheber“ kommt von Anheben, hat man mir im Zillertal erklärt. Und wenden? Anheben und wenden – was wird angehoben oder gewendet? Was ich erlebt habe, kann nur ein energetisches Phänomen sein. Also sind die Uheber Heiler im rein Energetischen, im Geistigen. Also echte Schamanen. Außerdem dürften sie im Zillertal soziokulturell vollkommen eingebettet sein. Sonst wäre die Gendarmerie wohl kaum bereit, einen „Uheber“ auf einer Alm zu suchen, ohne Zögern oder auch nur den geringsten Zweifel an der absoluten Notwendigkeit dieser Aktion. Und die Uheber sind absolut geachtet, ich habe nicht den Schatten eines Zweifels an ihrer Integrität bei irgendeinem Zillertaler finden können.

Der Arzt ist das eigentliche Heilmittel, das haben wissenschaftliche Studien bewiesen. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Uheber breite Akzeptanz finden und ihre Wartezimmer voll sind. Sie decken ein Grundbedürfnis ab, dem die kommerzialisierte Medizin nicht nachkommt. Denn „Heilung“ bedarf der zwischenmenschlichen Interaktion. Heilung braucht menschliche Zuwendung.

Übrigens habe ich mein Bett verrückt und schlafe jetzt wieder sehr gut.

(Alle Namen und Orte wurden zum Schutz der betreffenden Personen geändert.)

 

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