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„Es geht immer alles wieder weiter.“

Am 19. April 1940 wurden im Südtiroler Kastelruth 37 Familienoberhäupter von den italienischen Carabinieri verhaftet und wegen illegaler Tätigkeit zur „Sofortauswanderung“ binnen 24 Stunden gezwungen. Einer ihrer Anführer, Hans Scherlin vom Schulmeisterhof, ließ sich mit seiner Familie im Tiroler Dorf Erl nieder, wo er den bis heute bei Besuchern aus nah und fern bekannten Gasthof „Blaue Quelle“ errichtete. Eine Wirtshaus- und Familiengeschichte zwischen italienischem Faschismus, NS-Regime und Wiederaufbauzeit. Von Eva Pfanzelter

Wer heute im traditionsreichen Passionsspielhaus oder im modernen Festspielhaus im tirolerischen Erl nahe der bayrisch-österreichischen Grenze dem Kulturgenuss frönt, kommt früher oder später unweigerlich an der daneben liegenden blauen Quelle vorbei. Der kristallklare, aquamarinblaue Weiher steht unter Naturschutz und ist der Ursprung des Baches durch den Mühlgraben. Früher wurde das Wasser der Quelle zum Kühlen der Bierfässer in die Brauerei beim Gasthof „Mühlgraben“ geleitet. Diese befand sich nur wenige Meter entfernt in der heutigen „Flössermühle“. Den Namen erhielt das Gebäude allerdings erst nach 1945 von den neuen Besitzern, der Familie Scherlin. Er sollte ein Andenken an den Vater von Elisabeth Scherlin, den alten Flössermüller Wastl aus Kastelruth in Südtirol, sein. Auch das Gasthaus wurde umbenannt: Als „Blaue Quelle“ wurde es nicht nur zum kulinarischen Treffpunkt für Besucher des Ende der 1950er wieder aufgebauten Passionsspielhauses, sondern auch Angelpunkt eines regen, nachhaltigen Austausches zwischen Nord- und Südtirol.
Die heutigen Besitzer der „Blauen Quelle“ sind Nachfahren von Lies und Johann Scherlin (1904–1996) vom Schulmeisterhof in Kastelruth. Hans lernte seine zukünftige Frau, die Lies vom Stampfeterhof, 1922 kennen. Im Februar 1926 war Hochzeit und das Ehepaar zog in das bäuerliche Anwesen, das Hans 1919 völlig heruntergekommen von seinem Vater übernommen hatte. Tatkräftig unterstützt von seiner jungen Frau sanierte sich der Landwirt, sodass die Hofstelle, idyllisch gelegen inmitten nährreicher Felder am Fuße des Dorfes und mit einem einzigartigen Blick auf den Schlern, bald zu den reichsten Bauernhöfen Kastelruths gehörte. Aus der Ehe gingen zwischen 1927 und 1945 neun Kinder hervor, acht davon überlebten.
Doch das Leben für die ehemals Tiroler Bauern wandelte sich in der Zwischenkriegszeit erheblich. Lies Scherlin schreibt in ihren Erinnerungen: „Italienische Besetzung war da, da hieß es vorsichtig sein! Die Amtspersonen waren nun die Italiener. […] Aber die Gasse war leer von Menschen, die Bauern verschwanden in ihren Häusern! Langsam hatten auch wir Kinder schon mitbekommen, was dies alles zu bedeuten hat, und daß wir uns ruhig zu verhalten hatten.“
Das Programm des faschistischen Italien für die deutsche Minderheit in Südtirol hieß Italianisierung, also eine rigorose Einschränkung alles Deutschen, und Majorisierung, also Zuwanderung aus dem Süden. Die Reaktionsmöglichkeiten der Minderheit waren begrenzt. Ausgeschlossen von politischer und öffentlicher Partizipation radikalisierten sich vor allem politisierte Jugendschichten. Gleichzeitig kam es zu einer politischen Umorientierung: Aus dem K.-u.-k.-Monarchismus wurde ein radikalisiertes Tirolertum. Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers 1933 erhielten diese verschiedenen Strömungen bald eine einheitliche, deutschnationale Ausrichtung am „Tausendjährigen Reich“. Politisch sammelten sich die unterschiedlichen Widerstandsbünde 1934 im Völkischen Kampfring Südtirols (VKS), der illegalen NS-Bewegung. Spätestens 1938 übernahm er die ideologische Führung der Minderheit.
Die Mitglieder der Familie Scherlin erlebten die Phasen der Italianisierung unterschiedlich. Sohn Gottfried (1927–2005) und Tochter Notburga (Burgl, geb. 1928), später auch Elisabeth (Lisl, geb. 1929) und Anna (geb. 1931) besuchten den italienischen Kindergarten, danach die italienische Volksschule. Italienisch lernten die Kinder recht schnell, doch im Elternhaus waren die Sprache und die damit einhergehende Kultur verpönt. Die Eltern bemühten sich im Gegenteil, den Kindern durch die illegale „Katakombenschule“ ein Minimum an Deutschkenntnissen beizubringen. Mutter Lies nutzte indes den aufkommenden Italien-Tourismus, um die obere Stube an italienische Sommerfrischler zu vermieten. Vater Hans jedoch begann zunehmend zu politisieren. Ab 1938 nahm er an illegalen Treffen „treugesinnter Männer“ aus Kastelruth teil, die oft vom künftigen Präfekten, dem Kastelruther VKS-Leiter und „Volksgruppenführer“, Peter Hofer, geleitet wurden.

Dann kam das Abkommen über die Umsiedlung vom 23. Juni 1939 zwischen Berlin und Rom, in dem die Aussiedlung der deutschsprachigen „Elemente“ aus Südtirol beschlossen wurde. „Option“ wurde das genannt, da die Südtiroler die Wahl, also die Option haben sollten, entweder in Italien zu bleiben oder ins Deutsche Reich abzuwandern. Die VKS-Führung beschloss am 15. Juli die geschlossene Abwanderung der deutschen Minderheit aus Italien. Es begann ein Propagandafeldzug bis dahin ungekannten Ausmaßes, an dessen Ende die Menschen in Südtirol untereinander völlig zerstritten waren. Bis 31. Dezember 1939 stimmten etwa 86 Prozent der Südtiroler für die Abwanderung ins Deutsche Reich.
In Kastelruth folgten die Menschen dem Ruf der Propagandisten: In der Dorfchronik sind 91,3 Prozent, in der Pfarrchronik 95 Prozent Deutschlandoptanten niedergeschrieben. Dennoch wurden die Treffen der ehemals Illegalen weiter abgehalten. Immer wieder ging es dabei um Strategien, wie die Auswanderung trotz oder gerade wegen der Optionsergebnisse hinausgezögert bzw. vielleicht sogar verhindert werden könne. Viele der Treffen fanden im Schulmeisterhof statt. So auch eines am 19. April 1940: 37 Familienoberhäupter trafen sich zu einer politischen Versammlung in der oberen Stube. Einer der Anwesenden brachte ein Schreiben mit, in dem es um eine Gesamtanklage Mussolinis und Hitlers ging. Doch das Treffen war vermutlich verraten worden, denn italienische Carabinieri stürmten die Versammlung und verhafteten die Anwesenden. Hans Scherlin beklagte später oft, dass einer der Männer mit dem Schriftstück in der Hand neben dem Ofen gestanden, es jedoch verabsäumt habe, das inkriminierende Schreiben zu verbrennen. Die Verhafteten wurden am nächsten Tag wieder entlassen, durften aber nur für kurze Zeit nach Hause zurück. Ein paar Tage später gaben die Carabinieri öffentlich auf dem Dorfplatz die Ausweisung – „Sofortabwanderung“ wurde das genannt – der Männer binnen 24 Stunden und die Konfiszierung ihrer Güter bekannt. Eine letzte Nacht verbrachten sie bei ihren Familien, am folgenden Morgen mussten sie im Gasthaus „Rössl“ im Dorfzentrum bei der Wertfestsetzungskommission die Übergabe ihrer Besitztümer besprechen. Da es sich bei den Verhafteten zum Teil um einflussreiche Vertreter unterschiedlicher Berufe handelte – die Müller, Bauern, Schmiede, Tischler, Arbeiter und Angestellten waren zwischen 19 und 79 Jahre alt – fuhr die italienische Verwaltung an jenem Morgen mit schwerer Bewachung auf: Sogar ein Maschinengewehr wurde auf dem Kirchturm aufgestellt. Danach wurden die Männer mit unbekanntem Ziel abtransportiert. In der letzten deutschsprachigen, von den faschistischen Behörden herausgegebenen Alpenzeitung war zu lesen: „Wegen Verkennung ihrer Pflicht – Achsenstörung – wurden die Männer evakuiert.“ Die Ausweisung war also offenbar in Einvernehmen zwischen deutschen und italienischen Behörden erfolgt.

Hans Scherlin und seine Mitstreiter kamen zuerst nach Innsbruck, dann ins Stift Stams. Hans besuchte im Herbst 1940 Kurse in der Landwirtschaftsschule in Rotholz und wurde so zum „Landwirtschaftlichen Sachverständigen“. Im Sommer 1941 erhielt er eine Stelle als „Treuhänder und Wirtschaftsberater“ beim Reichsnährstand in Innsbruck. Mutter Lies Scherlin konnte ihren Mann in dieser Zeit ein paar Mal besuchen, hie und da gingen einige der Männer auch illegal über die Grenze ins Heimatdorf. Die älteren Kinder holte Hans Scherlin nach Nordtirol: Burgl und Anna kamen in die Hauptschule nach Pfaffenhofen, der älteste Sohn Gottfried in die Landwirtschaftsschule nach Rotholz. Hans selbst wohnte im „Österreichischen Hof“ in der Maria-Theresien-Straße in Innsbruck und war für die Entschuldung von Höfen in Tirol zuständig. Obwohl das Deutsche Reich an einer Unterstützung der in Tirol hoch verschuldeten Bauernschaft interessiert war, wurde dabei jedoch nicht allen Landwirten geholfen: Manche Höfe wurden von den NS-Behörden übernommen und meist zunächst in Pachtverträgen, oft auch zu einem geringen Kaufpreis vorzugsweise Südtiroler Optantenfamilien zugeteilt.
Hans Scherlin erhielt im März 1942 von den italienischen Behörden den Bescheid über die Enteignung des Schulmeisterhofes zu einem Gegenwert von 450.000 Lire. Zeit seines Lebens war Scherlin verbittert über diese „schuftige Ablöse“ seines Heimatgehöftes, für das er glaubte, auf dem freien Markt leicht das Doppelte erzielen zu können. Für die Familie Scherlin bedeutete die Enteignung, dass sie sich jenseits der Brennergrenze eine neue Heimstätte suchen musste. Als Treuhänder kannte Hans die Möglichkeiten, die den Auswandernden zur Verfügung standen. Deshalb ließ er seine Frau mehrfach nach Nordtirol kommen, einmal fuhr das Ehepaar ins Sudetenland, ein anderes Mal nach Oberösterreich. Schließlich besichtigte das Ehepaar eine armselige Hofstelle nahe der bayrisch-österreichischen Grenze, den Mühlgraben in Erl. Die Gebäude waren in einem katastrophalen Zustand, der Besitz vernachlässigt. Dennoch fiel beim Mittagessen im nahe gelegenen Gasthaus „Schachner“ die Entscheidung zum Kauf des Anwesens. Mutter Elisabeth Scherlin schrieb dazu in ihren Erinnerungen: „Das hat mir […] so gut gefallen und wohl auch die ganze Umgebung hat mia so schian deucht, weils halt a bißl Tirol no war, mit ebane Wiesn, und das Kaisergebirge nicht weit von Erl is so wunderschean und tuat a bißl hoamalan. Und die Blaue Quelle is a so was schians!“

Dann ging es in Kastelruth ans Zusammenpacken: Der Tischler verschlug Möbel, zimmerte Kästen und Truhen, Koffer wurden gepackt. Die Habseligkeiten wurden vorausgeschickt, die Familie blieb im beinahe leeren Haus zurück. Noch einmal wanderte Mutter Lies mit den Kindern über den Puflatsch auf die Seiser Alm, die Mädchen gingen ein letztes Mal auf den Schlern, scherzten und beteten, dass ihnen die Abwanderung erspart bliebe. Die letzte Nacht verbrachten die Familienmitglieder bei unterschiedlichen Verwandten, dann kam am nächsten Tag der tränenreiche Abschied vom Dorfplatz. Mit dem Postauto fuhr Mutter Scherlin mit den vier jüngeren Kindern und leichtem Gepäck nach Waidbruck und mit dem Zug weiter nach Innsbruck.
Mit Datum vom 11. November 1943 und abgestempelt in Innsbruck erreichte die Schwestern Burgl und Anna im Internat in Pfaffenhofen dann eine Postkarte, in der die Mutter die Mädchen anwies, in den nächsten Ferien in die neue Heimat nach Erl zu kommen, in die sie sich soeben mit den beiden Töchtern Lisl und Giuliana (genannt Juli, geb. 1934) sowie den Söhnen Hans (geb. 1937) und Sepp (geb. 1939) auf den Weg machte. Über die Ankunft in Erl erzählen die Mutter und die Geschwister ausnahmslos, dass es sich um einen kalten, trüben, regnerischen Tag gehandelt habe und die künftige Heimat somit keinen guten ersten Eindruck machte – ob diese Beschreibungen überdies den Gemütszustand der Familie wiedergaben, bleibt der Interpretation überlassen. Die Aufnahme der Familie in Erl war ambivalent: Die angekauften Gebäude im Mühlgraben waren verpachtet, doch die Pächterin des Gasthauses „Mühlgraben“ bot der Familie Unterkunft und Verpflegung an und die unmittelbaren Nachbarn halfen tatkräftig beim Einrichten einer Wohnung. Andererseits hatten wohl andere Dorfbewohner den Kamin in der oberen Stube im Metzgerhaus, die die Familie im Herbst 1943 schließlich bezog, zugemauert. Die Kinder wurden wegen ihres Dialektes im Dorf gehänselt, besonders Tochter Juli hatte es in der Schule nicht leicht. Mutter Lies litt lange Zeit unter entsetzlichem Heimweh.
Zuerst richtete die Familie das Gasthaus her. Die „historische Gaststätte am Ende von Tirol“, wie über dem Hauseingang geschrieben stand, war in einem desolaten Zustand und musste von Grund auf renoviert werden. In Abwesenheit von Vater Hans und Sohn Gottfried, die beide in die Wehrmacht eingezogen worden waren, brachte der Rest der Familie das Haus notdürftig in Stand, betrieb eine bescheidene Gastwirtschaft und bearbeitete den Hof. Ein wirklicher Neuanfang für die Familie in Erl war allerdings erst einige Zeit nach Kriegsende möglich. Dabei sollte sich als Glücksfall erweisen, dass die einziehenden Amerikaner ausgerechnet die Scherliner Felder zum Aufschlagen ihrer Lager zugewiesen bekamen: So wurde das Gasthaus zum Treffpunkt nicht nur für die Besatzer, sondern auch für die Jugend aus dem Dorf.
Bevor sich die Lage allerdings vollends stabilisierte, sollte es zu Problemen wegen der Übernahme des Gebäudeensembles am Mühlgraben kommen. Die ehemalige Besitzerin, Viktoria Huber, war mit dem Gasthaus 1936 in Konkurs gegangen und 1942, angeblich wegen ihres unsteten Lebenswandels, inhaftiert sowie ihr Hab und Gut veräußert worden. Nach 1945 stand ihr damit als „politischer Häftling“ Wiedergutmachung zu und sie verlangte die Rückgabe des Besitzes. Nach zwei Jahren kam es zu einem Vergleich, die Klägerin erhielt ein größeres Grundstück und eine Ablöse. Danach ging es kontinuierlich bergauf: Der Gasthof „Blaue Quelle“ wurde von Grund auf saniert, Gästezimmer kamen hinzu und bald schon war er ein beliebtes Ausflugsziel, in das vor allem Mutter Lies viel Energie und Herzblut steckte.

Eine Rückkehr nach Südtirol war für Familie Scherlin aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich. Unmittelbar nach Unterzeichnung der Rücksiedlungsabkommen 1948 suchte Hans um die italienische Staatsbürgerschaft an – sie wurde ihm verweigert, ebenso eine Entschädigung des Besitzes in Kastelruth. Der nun volljährige Sohn Gottfried erhielt die italienische Staatsbürgerschaft zwar problemlos, gleichzeitig ereilte ihn jedoch die Einberufung zum italienischen Militärdienst. Da er zudem in Erl gerade mit dem Bau eines Hofes begonnen hatte, war ein Rückkauf des von italienischen Behörden verpachteten Schulmeisterhofes in Kastelruth aus finanziellen Gründen unmöglich.
So blieben die Scherlins in Erl, das Gasthaus „Blaue Quelle“ wurde ihr Lebensmittelpunkt. Für die älteren Kinder hatte Kastelruth als zweite Heimat jedoch weiterhin Bestand. Es gab wohl kaum einen Markttag auf der Seiser-Alm, den Gottfried versäumte, wobei er Freunden und Verwandten, die er aus Erl zu diesen Ausflügen in seine alte Heimat mitnahm, einzigartige und gern erinnerte Erholungszeiten bescherte. Burgl wiederum erbte ein Wohnrecht in einem Haus am Rande von Kastelruth. Die Wohnung diente lange Jahre den Geschwistern und deren Nachkommen als Urlaubsort.
Andererseits wurde die „Blaue Quelle“ in Erl zur unvermeidlichen Einkehrstation für Kastelruther Vereine, vom Kirchenchor bis zur Musikkapelle, auf ihrem Weg nach oder von Deutschland. Vater Hans blieb allerdings Zeit seines Lebens unversöhnlich: Die faschistische Herrschaft über Südtirol, die Zeit der Option, die Enteignung des Schulmeisterhofes und die Ausweisung ins Bundesland Tirol konnten weder die privaten Erfolgsgeschichten der Familie, noch die Autonomie für Südtirol, noch das Wegfallen der Grenze durch den EU-Beitritt Österreichs 1995 wettmachen.
Wer heute ins Gasthaus „Blaue Quelle“ kommt, wird von der dritten Generation Scherlin, der Familie von Enkelin Gaby, versorgt. Auf der Speisekarte stehen nach wie vor der „Südtiroler Bauernsalat“ oder die „Südtiroler Schlutzkrapfen“ und wenn man Glück hat, bekommt man als Nachspeise „Kastelruther Krapfen“ serviert. Im Herbst findet traditionelles Südtiroler Törggelen statt, die „Südtiroler Wochen“ sind kulinarisch weithin bekannt und beliebt. Und obwohl nicht immer ein Südtiroler Wein auf der Empfehlungsliste des Koches steht, finden sich nach wie vor Jahrgangsausflügler aus Kastelruth gern im Gasthaus ein, ebenso wie die Altherren-Mannschaft von Erl oft zum Jahresausflug nach Kastelruth fährt. Nicht nur einmal ist es aufgrund des regen Austausches zu weiteren Hochzeiten zwischen jungen Frauen und Männern aus Kastelruth und Erl gekommen.
Vielleicht zeigt diese Familiengeschichte der Scherlins viel mehr, als Mutter Lies in ihren Erinnerungen resümiert, wenn sie meint: „Es kann nichts stehen bleiben. Es geht immer alles wieder weiter.“ Vielleicht zeigt diese Migrationsgeschichte, dass trotz faschistischer Diktaturen und rechtspopulärer Nationalismen auch jene, die opportunistisch zum Menschenmaterial degradiert werden, Botschafter eines Landes in einem anderen Land werden und umgekehrt. Und das ist durchwegs als Bereicherung zu werten.

Literatur:
Pfanzelter, Eva, Die Option der deutschen Minderheit in Südtirol 1939, in: Dies., Option und Gedächtnis. Erinnerungsorte der Südtiroler Umsiedlung 1939, Bozen 2014, S. 9–45.
Pfanzelter, Eva, Interviews mit vier Töchtern von Johann und Elisabeth Scherlin: Notburga Scherlin, Elisabeth Kronthaler, Anna Mair und Giuliana Hüttner, am 3.7.2013, abgehalten in Erl, Aufnahmen und Transkriptionen im Besitz der Autorin.
Scherlin, Elisabeth geb. Rabanser, Lebenslauf Kastelruth und Erl. Erinnerungen aufgezeichnet um 1971. Maschinengeschriebenes Manuskript, 54 Seiten.
Seberich, Rainer, Vom alten zum neuen Kastelruth. Kastelruth 1850–1927. Aus dem Leben einer Tiroler Gemeinde, in: Gemeinde Kastelruth. Vergangenheit und Gegenwart, Red. Josef Nössing, Kastelruth 1983, S. 305–334.

 

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