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„Nein, noch nicht!“

Wie eine Dichterin der Ankündigung einer „irren Überraschung“ im letzten Augenblick und über Nacht durch die Mithilfe einer wirklich großen Schriftstellerin, die damals beileibe mit anderem beschäftigt war (Nobelpreis!), doch noch gerecht werden konnte, um danach davon erzählen zu können. Von Barbara Hundegger (bahu)

Der folgende Text lässt sich auch als ein Versuch lesen, Elfriede Jelinek zumindest auf dem Papier wieder nach Innsbruck zu bringen – nach den lange zurückliegenden Innsbrucker Jugendkulturwochen, bei denen Jelinek neben etlichen anderen damaligen und späteren Literatur-, Musik- und Kunst-Berühmtheiten zu Gast gewesen war.
Ursprünglich für die Veranstaltungsreihe „Irre Typen“ im Innsbrucker Kulturgasthaus Bierstindl geschrieben, wird der Text hier in überarbeiteter und erweiterter Fassung erstmalig abgedruckt.
„Renk“ ist Robert Renk, ehemaliger Leiter des Bierstindl, heute in der Buchhandlung „Wagner’sche“; „TT“ die Tiroler Tageszeitung, „Hütteldorf“ ein Stadtteil am Stadtrand von Wien und Wohnort von E. J., „Robert Schindel“ einer der bekanntesten Dichter Österreichs, und die „Kaiser-Zwillinge“ sind Leander und Konstantin Kaiser, der eine Maler, der andere Schriftsteller und Literaturwissenschaftler.

1 Anruf – ein Schwächeln

Mitten in einen der vielen Stresse, die uns gemacht werden oder wir uns machen, läutet dein Handy, der Renk ist dran: er hätt’ da was für dich, ob du nicht, bei den „irren Typen“, was machen, das finde ja nur noch zwei Mal statt, und es tät’ ihn deshalb besonders, wenn du … nur aber gehe das Programm schon in Druck, und er müsse deswegen gleich, ob du und wen du da, und Bedenkzeit praktisch keine … und du: stockst, weil du weißt, dass du das unter keinen Umständen ad hoc, und sagst dir: nein, und ins Telefon: ja, mach ich, entweder Haushofer oder Christensen oder Stein oder Szymborska, und geben wir, sagst du, weil du dich erst knapp davor entscheiden usw., eine „offene Formulierung“ ins Programm hinein, und ihr vereinbart, dass er sich eine solche einfallen lässt … okay, sagst du: ciao, okay, sagt er: ciao.

2 Postkarten-Hype

Der nächste Kontakt mit der Sache findet an einem namenlosen Dienstag an der Kassa der Innsbrucker Buchhandlung Wiederin statt und ist das unvermutete Ansichtigwerden einer „Irre-Typen“-Werbepostkarte mit vorne einem offensichtlich herkömmlich „irre“ verstandenen Kopf drauf und hinten der Ankündigung: „Barbara Hundegger über eine irre Überraschung“. Soso, denkst du, so schaut beim Renk also eine „offene Formulierung“ aus – und es beschleicht dich zum ersten Mal eine Ahnung, dass sich das Ganze mit so einer Überschrift nicht auf dem unaufgeregten Level wird abführen lassen, den du dir dafür aus pragmatischen Gründen vorgenommen hast.
Erst einmal verdrängen also, zu viel anderes muss vorher noch getan sein. Aber in dir taucht ab da an dafür nicht vorgesehenen Stellen der Schriftzug „irre Überraschung“ mit Rufezeichen auf …

3 Aufwärmen mit einer anderen

Noch eine Woche Zeit, entscheidest du, Wisława Szymborska zu machen, Lyrikerin, Literaturnobelpreisträgerin 1996 – eine von damals 7 Frauen bei 93 Vergaben seit 1901 –, die ab 1931 (bis zu ihrem Tod 2012) zurückgezogen im polnischen Krakau lebte, von Eskapaden eines ausschweifenden Dichter / inn / enlebens keine Spur, keine Extremabenteuer, keine Anhäufung peppiger Lebensdaten. Szymborska, die von ihrer Stadt aus Verbindung mit dem Kosmos hielt …
Weil: was ist irre. Und wer sind: Typen. Und wo: die Tische, an denen das definiert wird.
Und was sind die größeren Reisen: auf Meeren, durch Wüsten, über Bergmassive, in Opiumhöhlen, quer durch Kontinente, über legendäre Autobahnen, Seidenstraßen, Wasserkanäle – oder auf der Haut des Menschen, den / die du liebst / lieben möchtest / nicht mehr liebst. Und welches ist der riskantere Weg: eine Erdumrundung, eine Weltumseglung, ein Tauchgang in drucklastiges Dunkel, ein Lichtjahr auf unbewirtschafteten Sternen – oder die zwei Zentimeter bis an die Grenze eines / einer andern mit der eigenen Hand.
Und was ist das größere Ereignis: was anderswo / mit dir / passiert, oder was / dir / passiert hinter / vor deiner eigenen Tür. Szymborska also – irre quasi, was die von einem einzigen Ort aus alles sieht …

4 Ein Zeitungsfoto

Noch zwei Tage Zeit, du bist noch gar nicht munter, schlägst du mitten unter den Szymborska-Zetteln auf deinem Schreibtisch die Zeitung auf, TT, „Freizeitbeilage“, und anlauflos springt dich dein eigenes Foto an: du erzähltest, liest du, am Montag, „über eine irre Überraschung“ – und jetzt endgültig bricht bei dir Erfüllungspanik aus …

5 Irrste Überraschung

Was oder wer müsste das sein, fängt es Hochdruck zu arbeiten an in dir, damit es wirklich um eine irrste literarische Überraschung ginge der letzten Zeit − da gäb’s nur eins, gäb’s nur eine, denkst du: Jelinek. Frisch Sensations-Nobelpreis-schwer. Und das geht sich, wie auch, einfach nicht mehr aus.
Aber es lässt dich nicht, es nimmt dich her, es taucht nicht mehr unter in dir – bis du entschlossen bist, es aufzunehmen mit der Sache: Und so schickst du Samstag, 19 Uhr 08, doch noch ein Mail, das dich Stunden gekostet hat, Richtung Hütteldorf ab …

6 Quasi kniendes Mail bahu an Jelinek

Liebe Elfriede Jelinek, schreibst du, gut wäre es, wenn hier gleich jener ultimative Satz stünde, der sie schon so für dein Anliegen einnehmen könnte, dass sie schwach würde und dein montäglicher Auftritt quasi geritzt wäre – und dass es um Folgendes ginge: In der Veranstaltungsreihe „Irre Typen“ stellten Dichter / inn / en andere Dichter / inn / en vor, aufgrund einer Unschlüssigkeit deinerseits zum Zeitpunkt der Drucklegung des Programms sei das Ganze etwas großspurig unter „Barbara Hundegger mit einer irren Überraschung“ angekündigt, bis gestern hätte dich das nicht sonderlich beschäftigt, weil du zu sehr mit anderem beschäftigt gewesen wärst – aber heute breche bei dir der große Stress aus, dass es schon sehr super wäre, eine echte „irre Überraschung“ bieten zu können! Und deshalb deine quasi kniende Bitte: einen Blick auf den im Anhang mitgeschickten Fragebogen zu werfen und zu schauen, ob sie, Jelinek, nicht Lust und Laune hätte, die Fragen, auch nur kurz, zu beantworten, oder ein paar davon, oder einige davon, oder etliche davon – weil das echt sensationell wäre und du damit mehr
als nur aus dem Schneider wärst! Und: dass es leider halt schon sehr eile, du müsstest den Fragebogen so schnell wie nur irgend möglich zurückhaben − also morgen …
Dafür, schreibst du, würdest du dich bemühen um die Erzeugung eines besonderen Jelinek-Flairs, hättest du als weitere Punkte außer deinen Fragen und ihren Antworten vor, ein Beistelltisch-Arrangement Salben und einen Affen vorzuführen – denn beides hättest du in Zeitschriften auf Fotos der Jelinekschen Privatwelt gesehen, und du bräuchtest dieses „Zubehör“ einfach nur von dir daheim zur Veranstaltung mitzunehmen, denn Salben und Medikamente gehörten auch zu deiner dichterisch-häuslichen Grundausstattung, und eigenartigerweise besäßest du einen ganz ähnlichen Affen wie den ihren … Außerdem würdest du das Publikum jenes dir als Lyrikerin überaus teuren „Viergroschenbogens Folge 76“ aus dem Jahr 1967 mit dem Titel „LISAS SCHATTEN“ ansichtig werden lassen, welchen sie dir vor ein paar Jahren netterweise samt Widmung geschickt habe − und du würdest, schreibst du, eine Collage zusammenstellen aus Titeln und Zitaten von Artikeln, die auf die „Nobelpreissache“ hin erschienen wären …
Und apropos, schreibst du, seist du noch nie von der Zuerkennung eines Nobelpreises so tief berührt gewesen wie von der an sie − und du könnest ihr versichern, dass es dir nicht als Einziger in Innsbruck so ergangen wär’: denn Anrufe und Mails habest du bekommen von Frauen, die vor Freude geweint hätten – weil, schreibst du, ihr hättet hier „immer schon“ Jelinek gelesen. Und bemerkenswert sei es, wie dem Hochoffiziellen grundsätzlich kritisch gegenüberstehende Feministinnen von diesem hochoffiziellen Preis angerührt worden wären – als eine Art Bestätigung, wie die patriarchalen Verhältnisse wahrgenommen, was von Frauen darüber gedacht und wogegen gekämpft worden sei, ohne dass irgendwer dem Respekt gezollt hätte. Und auch in diesem Sinne gratuliertest du aus vollem Herzen zum Nobelpreis!
In der Hoffnung, schreibst du, auf eine Gunst der Stunde − und nicht als Floskel: hochachtungsvoll bahu. Und PS, schreibst du, seit dem Nobelpreis wolle dein Zieh-Sohn nun doch ein einziges Buch von dir erben: eben besagtes Jelineksche „LISAS SCHATTEN“, das in seinen Augen nun erst zum Wertgegenstand geworden sei …

7 Eine Nacht


Ab Samstag früher Abend also: halbstündliches Mail-Auf, Mail-Zu und bangen …
Um 23 Uhr Beschluss, das Warten durch Ausgehen zu entschärfen – Dusche, Anziehen, Frauen-Lesben-Disco, leichte Entlastungsalkoholisierung …
Beim Heimfahren spätnachts, schon wieder nüchtern: Kupplungspedal-Hänger im frisch sündteuer vom Service abgeholten Auto, Stillstand im Schneetreiben, schweißnass vom Tanzen, Total-Hänger deinerseits, daraus resultierend kurze Gewaltanwendung am VW-Polo-Pedal, daraufhin klagloser Betrieb, Rückfahrt, Mail-Auf: nichts, Mail-Zu …
Bierrestschlaf …

8 Weißer Sonntag

Schwerstarbeit aus dem Bett heraus, Aspirin zum Frühstück, im Pyjama Computer ein, Socken an, es ist kalt, nass draußen, grau-schwarz niedergestampfter Schnee liegt blöd herum, Mail abfragen, kurz warten, und dann dick in der obersten Zeile: „elfriede jelinek­ | re: quasi kniende bitte | 14.11. | 8.56 uhr“ samt
Attachment …
Es ist warm, trocken herinnen, durchs Fenster breitet sich das Licht allerweißesten Schnees aus. „So, liebe
Barbara Hundegger“, steht da, „mehr konnte ich
auf die Schnelle nicht für Sie tun … herzliche Grüße, E. J.“

9 Quasi liegender Dank bahu an Jelinek

Liebe Elfriede Jelinek, schreibst du Sonntagmittag, du könnest nur sagen: aufrichtigsten Dank − denn nun stündest du über Nacht zwar verkatert, aber nicht mehr halbseiden, sondern sehr gut da …
Einen warmen, fernseh- und krimidurchzogenen Sonntag, schreibst du, und mit ganz herzlichen Grüßen bahu.
Und PS, schreibst du, sollte sie jemals auch nur das geringste Gelüst verspüren nach einer Höhle der Alpen-Löwen – Bergschluchten, Schifahrer, Steigbügelhalter, Dirndl-Balkone, Seilbahn-Tycoone, Stuben-Gewalten, alles da! –, sei sie herzlichst hierher eingeladen, denn einige hier würden Freudentränen vergießen, wenn sie käme!

10 Ein Affe – ein Salben-Arrangement – ein Viergroschenbogen – „ach elfie …“

· Schaustück 1: bahus Affe und Jelineks Affe (in:
„Volltext – Zeitung für Literatur“, Nr. 5 /2004, S. 30)

· Schaustück 2: bahus Beistelltisch und Jelineks 
Beistelltisch (in: „DU – die Zeitschrift der Kultur“, Nr. 700 / 1999, S. 5)

· Schaustück 3: Jelineks erste Buchveröffentlichung: Gedichte!

Elfriede Jelinek „LISAS SCHATTEN“; DER VIER-
GROSCHENBOGEN, Folge 76, Blätter für zeitgenössische Literatur und Graphik, Relief-Verlag-Eilers, München / Würzburg / Bern 1967; mit Widmung („für barbara hundegger / sehr herzlich / E. Jelinek / wien, 8.3.98) und beigelegtem Zettel („Liebe Barbara Hundegger! / Vielen Dank für Ihr Interesse. / Ich glaube nicht, daß ich noch ein Exemplar habe, werde aber mal suchen gehen. Falls ich es finde, lege ich es bei, falls nicht, kann man nichts machen. Sollen sie verschollen sein, die Sachen, die Idee gefällt mir gut, daß etwas weg ist. / Liebe Grüße / Elfriede Jelinek / / ha! ge-
funden!“)

· „ach elfie …“

ein nobelpreis für die subversion | beschimpft und gefeiert | weltgewissen begabt | dunkles herz europas |
sprachgepanzert im licht der öffentlichkeit | stimme des anderen österreich | der sinn des anrennens | die wahrheit ausspucken | ich bin wasserscheu | ich bin eine der provinziellsten autorinnen | ich habe in allen sparten den endpunkt erreicht | hausbesuch bei der nobelpreis-erträgerin | gemischte reaktionen | mehr verzweiflung als freude | und künstler: kein zierhasen-
ersatz | keine blume im knopfloch für österreich |
ein land mit zwei gesichtern | wie die sich giften werden | erster preis für österreich | stolz auf mürzzuschlagerin | und dann zustoßen wie eine sandviper | jelinek unter freunden | vielleicht sind ja doch die alpen schuld | ist sie eine große autorin | nobelpreis in der „krone“: ein problem | vienna calling | wer sich in stockholm vertreten ließ | champagner-
korken im berlin-verlag | nobelpreisrede aufgezeichnet | hunderttausende druckfrische jelinek-
werke schon wieder weg | die geistesgegenwärtige |
die kämpferin | die unerbittliche | die heilige der schlachthöfe | die große depressive | erbarmungslose moralistin | verzweifelte wortspielerin | misanthropin schwedisch geadelt | ach: elfie …

und „als mann“ sagt einer fühle er sich „fehlinter-
pretiert“ | und aus einem „zentralorgan des neo-
konservativen-bushs“ tönte „ussama saddam elfriede wie eins“ | und der vatikan sagt „absoluter nihilismus“ und „scharfe unannehmlichkeit des obszönen“ | aber die katholische frauenbewegung sagt: „begrüßen“ und gut dass an e. jelinek die „als konsequente feministin in ihrem werk unermüdlich und mit großer leidenschaft das machtgefälle zwischen mann und frau“ | und dolly buster auf einer buchmesse mit ihrem „ultimativen sex- und beziehungsratgeber“ kennt e. jelinek zwar nur dem namen nach: aber deren sex-tabubrüche seien bestimmt ein grund für den preis − und sie selbst sehe sich auch als feministin und wollte für ihr werk „natürlich auch belohnt werden“ …

und jelinek sagt: es sei nicht an ihr sich zu
beklagen | denn es spiegelten „sich ja nur
allgemein gesellschaftliche mechanismen“
wider über die sie immer schon geschrieben
habe: sie könne doch nicht darüber klagen
wenn bestätigt werde dass sie recht habe

11 bahu an Jelinek – der Fragebogen

– weißt du noch, wie spät es oder welches wetter war, als du mit dem ersten wort deines ersten literarischen textes begonnen hast?
Nein.
– wie alt warst du da?
Sieben.
– wie bist du aufs schreiben gekommen?
Aus Mutterliebe.
– was war das gute, was das schlechte in deinem leben, als du angefangen hast?
Das krampfhaft beschworene Gute. Das Nichtzulassen des Schlimmen.
– wie hast du gewohnt, als du angefangen hast?
In einer Wohnung im 8. Bezirk in Wien.
– wie war dein plan, als du angefangen hast?
Kam erst viel später. Kein Plan.
– was war zu dieser zeit dein lieblingssong?
„Suzanne“ von Leonard Cohen, aber viel später.
– wer waren zu dieser zeit deine heldinnen / helden?
Kann mich nicht erinnern.
– welche inneren, äußeren hürden hattest du zu überwinden, damit du schreiben kannst?
Die Hürde, einen anständigen Beruf ergreifen zu sollen.
– warum gibst du dir das?
Es gibt mir was.
– wie ist es dir am vorabend deiner ersten buchpräsentation gegangen?
Aufgeregt, merkwürdig.
– wen hast du persönlich dazu eingeladen?
Einen Teil der damaligen Linken in Wien. Kreis um Robert Schindel und die Kaiser-Zwillinge.
– wie ist es dir danach gegangen?
Wußte, daß ich Öffentlichkeit nicht mag.
– interessiert sich deine familie wirklich für deine lite
ratur?
Sehr.
– interessiert sich dein unmittelbares umfeld wirklich für deine literatur?
Ja.
– wann hat deine mutter mitbekommen, dass du schreibst?
Als ich ihr das Muttertagsgedicht geschenkt hatte.
– wann hat dein vater mitbekommen, dass du schreibst?
Hat nie etwas mitbekommen, höchstens mein Klavierspiel.
– wann haben deine eltern mitbekommen, was du schreibst?
Hab meiner Mutter später noch mehr Gedichte gezeigt. Waren nicht mehr über sie.
– welche zeiten in deinem leben waren die schwierigsten im bezug auf das schreiben?
Hatte es eigentlich immer relativ leicht.
– was war das schrillste, das je wer zu dir über deine arbeit gesagt hat?
Lese nicht, was jemand über meine Arbeit sagt. Wahrscheinlich einmal, als einer geschrieben hat, wahrscheinlich habe man mich mißverstanden, vielleicht seien meine Texte komisch gemeint.
– welche rituale brauchst du zum schreiben?
Keine. Nur Ruhe und Computer.
– hast du vor-leser oder vor-leserinnen im sinne von vor-kosterinnen und -kostern, denen du deine sachen, bevor du sie anderen zeigst, zeigst?
Ja.
– was sind das für leute?
Möchte ich aus Diskretion nicht sagen.
– was an ihren reaktionen ist wichtig für dich?
Alles.
– hängt, ob du eigene texte lieber oder nicht lieber magst, mit deren gelungenheit / qualität oder mit den bedingungen / stimmungen zusammen, unter / in denen sie entstanden / geschrieben worden 
sind?
Hängt nur mit dem Ergebnis zusammen. Was ich nicht mag, wird weggeschmissen. Oder, wenn schon erschienen, nie wieder angeschaut.
– änderst du texte oft um?
Ja.
– wie oft?
Sehr oft.
– behältst du alle mutationen eines textes auf?
Nein. Aber mein Mann tut das, weil ich ihm alles als Sicherheitskopie schicke.
– wenn du fünf, sechs leute aus dem bereich der literatur nennen müsstest, die deinen schriftstellerischen kosmos mitgeprägt haben –  welche wären das?
Walter Serner, Robert Walser, Marieluise Fleißer, 
August Stramm, Sylvia Plath, Ödön von Horvath, die Wiener Gruppe.
– was war das ergreifendste, was je wer zu dir über deine arbeit gesagt hat?
Kann mich nicht erinnern. Ach ja, als meine Mutter im Sterben lag und ich ihr „Gier“ gegeben hatte, sagte sie: „So schwer.“
– welche der typischen schreib-langzeitschäden machen sich bei dir bemerkbar: chronische rückenschmerzen, taubheitsgefühle im schreibarm, allgemeiner haltungsverfall, hämorrhoiden, herbst-, winter-, frühlingsverstimmung, sommerdepression, sinnkrisen, schreibkrisen, verlagskrisen, beziehungskrisen, überschuldung?
Halswirbelsäulenprobleme, Schulterprobleme.
– was hilft, wenn’s dir schlecht geht, immer?
Wärme. Fernsehen. Krimilesen.
– wenn du nicht schriftstellerin wärst / sein müsstest, was würdest du gerne sein?
Hmmmm, ich würde überhaupt nichts tun. Nur lesen.
– was war das eigenartigste sexistische, das dir als dichterin je passiert ist?
Jede Menge sexueller Belästigungen, als ich noch jung war.
– was für auswirkungen hatte es in deinem literarischen leben, dass du eine frau bist?
Man hört mir nicht zu. Trotz Nobelpreis.
– was ist dein lieblingsfilm?
„Vertigo“ von Hitchcock.
– was ist dein lieblingswitz?
Fällt mir jetzt keiner ein.
– was ist dein lieblingsessen?
Steirischer Backhendlsalat mit Kernöl.
– was ist dein lieblingsthema?
Verbrechen.
– wenn du an eine einzige verstorbene / einen einzigen verstorbenen in die ewigen jagdgründe schreiben könntest, an wen würde das sein?
Brief an die Mutter.
– wenn du deine letzten worte bestimmen könntest, welche wären es?
Nein, noch nicht!

 

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